Klaus Wallendorf

Zwischen Mundstück und Mikrofon

Aus den Papieren eines philharmonischen Hornisten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Galiani,
erschienen in: das Orchester 05/2021 , Seite 74

Ein Blick in das Register dieses Buches genügt, um sich auf eine abwechslungsreiche Lektüre zu freuen. Exemplarisch seien hier die Schlagwörter unter W zu nennen: Wagnertuba, Wisconsin, Würdigungen, Würstchen.

In seinem zweiten Buch berichtet der inzwischen pensionierte Hornist von seinem eigenen Werdegang. Im ersten Teil schildert er auf gewohnt amüsante Weise seinen Weg zum Horn. Spannend, dass aus Wallendorf fast ein Schlagzeuger geworden wäre! Seit vielen Jahren ist er ja aus der deutschen Hornwelt nicht wegzudenken.

Liebevoll werden die verschiedenen Kantinen unter anderem in Aachen, Genf und München beschrieben, bevor er schließlich zu seiner langjährigen Tätigkeit bei den Berliner Philharmonikern kommt, von der wiederum der zweite Teil handelt. Diese Berichte schmückt der Autor mit Gedichten, kurzweiligen Werkbeschreibungen und einer passenderweise „Füllhorn“ genannten Instrumentenkunde. Auch die Texte für oder über die großen Dirigenten (Kleiber, Karajan, Abbado) sind ein schönes Zeugnis ihrer Zeit. Etwas wehmütig liest man zum jetzigen Zeitpunkt die Tournee-Tagebucheinträge über Gastspiele in Skandinavien, Griechenland oder natürlich Tokio.

Der letzte Teil gibt einen Überblick über verschiedene voneinander unabhängige Ansagetexte („Vierzehn Berliner Flötisten“) und philharmonische Würdigungen aus Wallendorfs Feder. Ebenso abwechslungsreich wie die behandelten Themen sind die Anlässe (Kieferorthopädie-Kongress!).

Ein Wermutstropfen in diesem Buch ist die Selbstverständlichkeit, mit der Wallendorf von den häufigen Trinkgelagen schreibt. Im letzten Teil wird zwar kurz erwähnt, dass er sich irgendwann vom Alkohol distanziert hat, aber mit Hinblick auf die Probleme, die Alkoholismus auch in der Orchesterlandschaft verursacht hat und es immer noch tut, wäre doch ein differenzierterer, nicht nur humoristischer Umgang mit dem Thema wünschenswert gewesen.

Wallendorf ist ein wunderbares Beispiel für die vielen vom Publikum oft unentdeckten Doppel-Talente in Sinfonieorchestern. Von den Berliner Philharmonikern wurde er unlängst zum „Hofpoeten auf Lebenszeit“ ernannt, denn er weiß mit der deutschen Sprache virtuos umzugehen. Man würde sich dieses Werk eigentlich als Hörbuch wünschen, denn viele Anekdoten und Witze wären vom Autor selbst vorgetragen sicherlich noch einmal wirkungsvoller. Ausgeschmückt wird der Band mit charmanten Illustrationen von F.W. Bernstein und Heike Drewelow.

Wallendorfs gesammelte Papiere sind sicher nicht zuletzt für Konzertbesucher eine spannende Lektüre. Was zwischen Probe und Konzert, Bühne und Backstagebereich oder eben Mundstück und Mikrofon passiert, erfährt man hier aus erster Hand. Das Buch ist eine schöne Geschenkidee für das kulturinteressierte Publikum, um sich die Zeit bis zum nächsten Konzert zu versüßen.

Mia Schwarzfischer