“Zwiegespräche”

Das Violoncello-Duo

Rubrik: CDs
Verlag/Label: www.celloduo-bremen.de
erschienen in: das Orchester 07-08/2013 , Seite 77

Nicht um Debatten oder Dispute geht es hier. Vielmehr um Zwiegespräche, die von großer Einmütigkeit zeugen. Um musikalische Dialoge unter Gleichgesinnten und zudem gleichgestimmten Instrumenten. Ralph-Detlev und Angelica Jerzewski – das celloduo bremen – sind, wenn nicht alles täuscht, ein glückliches Ehepaar. Nach gemeinsamen Studienjahren in Hannover und Hamburg und ersten Engagements wurde er 1977 Solocellist der Bremer Philharmoniker, sie arbeitet seither als Dozentin an der Bremer Hochschule und als Kammermusikerin. Die vorliegende CD präsentiert eine Duo-Partnerschaft, die über viele Jahre wachsen konnte. Oder, wie Ralph-Detlev Jerzewski es lapidar in einem Interview formulierte: „Wir sind noch fit und wollten das einmal dokumentieren.“ Dies ist gelungen: Jeder Klang, jede Phrase entsteht aus gemeinsamem Atmen. Obwohl die beiden Instrumente – ein 1978 gebautes Cello von Wilhelm Heckenthaler und ein Cello des Franzosen Nicolas Simoutre von 1868 – durchaus unterschiedliche Klangcharaktere repräsentieren, entfaltet sich ein Musizieren, das von großer Homogenität geprägt ist.
Der größte Teil des eingespielten Repertoires entstammt jener Epoche, in der das Cello sich allmählich als solistisches Instrument emanzipierte – gegen die Konkurrenz der brillanten Geige wie auch der Gambe, die zumal in Frankreich und England bis weit ins 18. Jahrhundert das Feld beherrschte. Couperins 12. Concert aus Les goûts-réunis ist – ungeachtet der Besetzungsfreiheit, die der Komponist einräumt – noch ganz der Idiomatik der Gambe verpflichtet. Die Werke von Barrière, Cervetto und Boccherini hingegen entstammen dem ureigenen Cellorepertoire. Als reizvoller Kontrast hierzu erklingt auf dieser CD die 1959 komponierte Partita von Siegfried Borris, ein Originalwerk für zwei Celli, das vom Ideal der Spielmusik in der Hindemith-Nachfolge durchdrungen ist. Punktierte Rhythmen, ornamentale Verzierungen und polyfone Struktur kennzeichnen die neo-barocke Partita ebenso wie gelegentliche Ausflüge in bitonale und dissonanzreiche Harmonik.
Entspricht der Spielgestus des Jerzewski-Duos dieser Musik voll und ganz, so erweisen sich seine Interpretationen Alter Musik nicht eben als „historically informed“. Bei allen unleugbaren Qualitäten der beiden Musiker: Boccherini & Co erklingen hier im Breitband-Sound vergangener Jahrzehnte, wozu die hallige Klangeinstellung der Aufnahme noch ein Übriges beiträgt. Insbesondere in der filigranen Welt Couperins mutet dieser Duktus befremdlich an. Beim Hören des XIIième Concert beschleicht uns Unsicherheit: Hören wir das Original oder eine cellofreundliche Bearbeitung aus den „Untiefen“ des 20. Jahrhunderts?
Unsere Gegenwart ist geprägt von zahlreichen profunden Bemühungen um authentische Wiedergabe Alter Musik – auch auf modernen Instrumenten. Vor diesem Hintergrund sei ein solcher Einwand gegen eine insgesamt untadelige Produktion gestattet.
Gerhard Anders