Heller, Barbara

Zwiegespräche

9 Duette für 2 Violinen / für Violine und Viola, hg. von Ulla Levens, pädagogische Hinweise von Isabel Steinbach und Regina Steinbach

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: das Orchester 11/2014 , Seite 67

Was man an Klangwirkung mit einem Duo aus hohen Streichinstrumenten erzielen kann, hat einst der belgische Virtuose Eugène Ysaÿe in seiner Sonate für zwei Violinen eindrucksvoll demonstriert. Da es aber doch eine ordentliche Portion Virtuosität erfordert, aus dieser Besetzung orchestrale Fülle und kraftvolle Konturen herauszuholen, blieb sein Werk eines der ganz wenigen für zwei Geigen. Der musikalische Alltag ruft aber natürlich gerade in der Musikschulausbildung nach Stücken für ein solches Duo. Daher hat Barbara Heller im vorliegenden Band neun kleine Einzelsätze – allesamt klangliche Charakterisierungen von Begegnungen zweier Menschen – versammelt, die sowohl mit zwei Violinen als auch im Duo aus Geige und Bratsche ausgeführt werden können.
Obwohl die Besetzung mit zwei unterschiedlichen Streichinstrumenten allein schon aufgrund der verschiedenen Klangfärbungen zu bevorzugen wäre, darf nicht übersehen werden, dass die Heller’schen Zwiegespräche auch mit zwei Violinen ihre ganze Wirkung entfalten können. Stimmungen, Gemütszustände, Diskurse und Begegnungen beschreibt Barbara Heller mit so simplen wie überzeugenden musikalischen Mitteln. Ein Blick in die Noten macht dabei deutlich, dass es nicht Virtuosität allein ist, die einen Abschnitt wie die „Kicherei“ zum musikalischen Kabinettstückchen macht. Der Notentext sieht stets klar und aufgeräumt, ja manchmal sogar etwas unscheinbar aus. Erzielt wird die geforderte Wirkung durch die Interpretation des Streicherduos (oder besser -duetts), die alle zur Verfügung stehenden Mittel an klanglicher und struktureller Gestaltungsfähigkeit in die Waagschale werfen darf.
Was kann sich ein Pädagoge also mehr wünschen als einen kleinen Fundus tonmalerisch überzeugender Miniaturen für den Gruppenunterricht seiner Geigenschüler? Auch auf diese Frage haben die für diesen Band Verantwortlichen die passende Antwort: Der zweite Teil jedes Hefts enthält eine unbezeichnete Version der neun Duette, die den Ausführenden große Freiheiten erlaubt, aber eben auch neue Aufgaben stellt. Wie diese Freiheiten zu nutzen und die Aufgaben in Bezug auf eine schlüssige Interpretation zu lösen wären, dafür liefern die vorgeschalteten pädagogischen Erläuterungen vielschichtige Hinweise. Wem also der Notentext allein noch nicht ausreichend Inspiration hinsichtlich Klangfarben, Agogik, Tempo oder auch Charakter ermöglicht, der ist bei den Anmerkungen von Isabel und Regina Steinbach bestens aufgehoben.
Ob mit oder ohne interpretatorische Leitplanken, ob mit oder ohne Ausführungsbezeichnungen – Barbara Hellers Zwiegespräche sind tiefgründig und gleichzeitig offen genug, um überraschende musikalische Erlebnisse im Violinduo-Unterricht zu ermöglichen, um interpretatorische Grenzen auszuloten oder um in kurzen zwei Minuten ein Publikum im Konzert zu gewinnen.
Daniel Knödler