Rosu, Stefan
Zukunftsstrategien für Orchester
Kompetenzen und Kräfte mobilisieren
Wer ist nicht auf der Suche nach dem Stein der Weisen, wenn es um die Zukunftsfähigkeit, also die nachhaltige Sicherung der Existenz von Orchestern geht? Angesichts der gravierenden Strukturveränderungen der vergangenen Jahre und der sich daraus ergebenden Problemstellungen war die Zeit für ein derartiges Buch reif. Autor Stefan Rosu, zuvor Manager beim Salzburger Mozarteumorchester, bei der Philharmonie Luxembourg und aktuell Intendant der Philharmonie Zuidnederland in Eindhoven, muss es wissen; war er zuletzt doch hautnah mit der Veränderung von Orchesterstrukturen befasst.
In neun Kapiteln versucht Rosu, die wichtigsten Ansätze für die Entwicklung von überlebenswichtigen Zukunftsstrategien für Orchester zu beschreiben. Einleitend erläutert er die wichtigsten strategischen Grundüberlegungen. Das zweite Kapitel erörtert u.a. den General Management Navigator (GMN) und überträgt diesen auf den Orchesterbereich. Im dritten Kapitel geht es darum, welche Strategieprozesse für Berufsorchester im Einzelnen geeignet sein können und worin dabei qualitative Unterschiede liegen. Das nächste Kapitel trägt die Überschrift Stakeholderanalyse und Nutzenversprechen. Dort geht es um die Erfassung und Zuordnung aller wesentlichen Interessengruppen eines Orchesters, um deren heterogene Erwartungen und wie eine Orchesterorganisation darauf reagieren muss. Konsequenterweise folgt im fünften Kapitel die Untersuchung der Kundenbeziehungen und die Frage nach der Festlegung des Unternehmenszwecks (Mission). Auch hier werden Grundgedanken der Betriebswirtschaftslehre und des Kulturmanagements auf den Orchesterbereich übertragen.
Rosu stellt die SWOT-Analyse (Stärken Schwächen Potenziale Bedrohungen) in den Mittelpunkt der Strategieüberlegungen, an deren Ende die Formulierung konkreter Ziele für ein Orchester stehen soll. Daran anknüpfend werden mit verschiedenen Beispielen Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle rund um den Konzertbetrieb erläutert. Das achte Kapitel schließlich befasst sich mit dem Thema Change Management, also der Frage, wie zuvor gewonnene Strategie-Erkenntnisse auch in die Praxis des Orchesteralltags umgesetzt werden können. Im kurzen neunten Kapitel fasst Rosu die wichtigsten Erkenntnisse zusammen und listet noch einmal die zuvor entwickelten sieben Thesen zum Strategieprozess eines Berufsorchesters auf.
Alle Kapitel sind zu Beginn mit einem kurzen Abstract versehen, was die Lesbarkeit angenehm fördert. Zahlreiche Tabellen, Grafiken und Praxisbeispiele erhöhen den Nutzwert des Buches. Es gibt allerdings auch
ein paar Kritikpunkte: ein gründlicheres Schlusslektorat hätte verbliebene Sinnfehler und grammatikalische Brüche (ich/wir) beseitigen können. Schließlich gibt es auch vermeidbare, aber kleinere fachliche Fehler, wenn z.B. die Berliner Philharmoniker als Eigentümer bzw. Gesellschafter ihres Orchesters beschrieben werden. Dennoch lautet das Gesamturteil: Pflichtlektüre für Orchestermanager und Musiker!
Gerald Mertens