Ahrens, Christian

“Zu Gotha ist eine gute Kapelle…”

Aus dem Innenleben einer thüringischen Hofkapelle des 18. Jahrhunderts

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Franz Steiner, Stuttgart 2009
erschienen in: das Orchester 11/2009 , Seite 62

Christian Ahrens, Professor a.D. für Musikwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, der einen Hang zu akribischer Recherche beweist, absolvierte in den Jahren 2005 und 2006 im Thüringischen Staatsarchiv Gotha ein umfangreiches Quellenstudium zur Gothaer Hofkapelle. Der von der Fritz Thyssen Stiftung geförderte Wissenschaftler konnte so im Bach-Jahrbuch 2007 umfangreiche neue Erkenntnisse über Johann Sebastian Bach in Gotha präsentieren. Und auch das vom Forschungszentrum Gotha für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt herausgegebene Buch „Zu Gotha ist eine gute Kapelle…“ birgt einen Fundus, der jeden Forschenden und Musikinteressierten einfach begeistern muss.
Christian Ahrens belegt mit einem Pool aus Daten, Fakten und Zitaten, der weitere Forschungsräume eröffnet, dass die leistungsfähige Gothaer Hofkapelle der Dresdner gleichwertig gewesen sein muss. Die Korrespondenz von Musikern mit ihren Dienstherren und die Ausgabenrechnungen zur Anschaffung von Instrumenten und Noten sowie Fakten zur Besoldung und Einstellung von Musikern belegen den hohen Stellenwert der Musik am Gothaer Hof. Zudem trägt Ahrens’ Arbeit – bezogen auf die ausgewählte Epoche – enzyklopädischen Charakter.
Trotz der unerhörten Quellenfülle ist dem Buch ein gewisser Unterhaltungswert nicht abzusprechen. In den Kapiteln „Willkür und Fürsorge“ und „Kollegialität und Rivalität“ beschreibt Ahrens, mit welchem finanziellen Aufwand die Gothaer Regenten die Musik am Hof betrieben bzw. welcher barocke Konkurrenzkampf um Stellen und Positionen herrschte. Hier drängen sich Parallelen zur gegenwärtigen Situation von Theatern und Orchestern auf. Denn die heutige Thüringen Philharmonie ist eine fusionierte Vereinigung zweier Orchester. Dies sind das Landessinfonieorchester Thüringen in Gotha, das 1651 unter Ernst I. von Sachsen-Gotha erstmals als Hofkapelle erwähnt wurde, und die Thüringen Philharmonie Suhl. Die Zukunft dieses Klangkörpers ist offen, obwohl es per Vertrag mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt kooperiert.
Ein Gnadengesuch zum Erhalt der Selbstständigkeit an den Thüringer Ministerpräsidenten sollte vielleicht ähnlich devot ausfallen wie jenes der Sängerin Anna Franziska Hattasch, welche anno 1760 bei Herzog Friedrich III. um eine Erhöhung ihres Jahresgehalts (230 Thaler) ersuchte: „Durchlauchtigster Hertzog, Gnädigster Fürst und Herr! Ew. Hochfürstl. Durchl. Geruhen gnädigst Sich in Unterthänigkeit vorstellen zu laßen, wie wir uns nun seit viel Jahren haben so kümmerlich behelfen müssen, daß ohne Dero bißherigen gnädigsten Zufriedenheit und unsern natürlichen Trieb zur Musik unser Fleiß hätte unter der Last der häußlichen Sorgen unterligen müßen.“ Alles beim Alten, aber interessant!
Ursula Mielke