Werke von Paul Hindemith, Petar Christoskow, Alexander Raichev und anderen

XX Viola Sola

Dimitar Penkov (Viola)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Gallo
erschienen in: das Orchester 01/2021 , Seite 73

Dimitar Penkov war über drei Jahrzehnte lang Solobratscher der NDR Radiophilharmonie. Der vielseitige Musiker ist ebenso in der Kammermusik zu Hause, spielte lange im bulgarischen Radio-Streichquartett und tritt als Dirigent auf. 1985 war er Solist der französischen Erstaufführung von Pendereckis Violakonzert.
Die CD XX Viola sola vereinigt Kompositionen des 20. Jahrhunderts für Viola solo und spiegelt Penkovs Engagement für neue Violamusik wider. Am Anfang erklingt Hindemiths Sonate op. 11, am Schluss Regers Suite op. 131 d. Dazwischen ermöglicht Penkov dem Hörer die lohnende Entdeckung der bulgarischen Komponisten Petar Christoskow und Alexander Raichev.
Penkov ist einer der Violasolisten unserer Zeit, die für ihr Instrument Spieltechniken und Gestaltungsweisen entwickelt haben und die es ins Rampenlicht des Konzertlebens holten. Seine Technik ist makellos. Mit größter Perfektion beherrscht er Lauffiguren und schwierigste Doppelgriffe. Die tiefe C-Saite klingt bei ihm fast so füllig und klar wie bei einem Cello. Der Klang der hohen A-Seite ist hier von dem einer Violine kaum zu unterscheiden, vor allem auch, wenn hohes Lagenspiel gefordert ist. Penkovs Violaklang entspricht keinesfalls dem Bratschen-Klangklischee, das häufig als „näselnd“, „rauchig“ und „melancholisch“ beschrieben wird. Dadurch wird die Viola vom Spezialinstrument für Melancholie zu einem universalen Instrument für alle Gefühlslagen.
Das „Allegretto“ in Regers Suite klingt hier zupackend, lustig, sprüht von einer pastoral-ländlichen Lebensfreude. Aber selbstverständlich liegt Penkovs Violaspiel auch das Elegische wie im Andante dieser Suite. Allerdings wirkt auch hier der Violaklang klar und offen. Penkov lässt uns so Regers Musik in ihrer Modernität und Abkehr von der Romantik entdecken. In der Dorf-Rhapsodie seines Landsmannes Hristoskov wird die Urgewalt von Rhythmen und Klängen der traditionellen Musik deutlich. In Raichevs Aria zeigt er eine Art von Trauer, die nicht der gängigen „Bratschen-Melancholie“ entspringt, sondern die Gefühle direkt, sehr sprechend, bisweilen auch schreiend expressiv ausdrückt.
Penkov steht in der Tradition Hindemiths, der wichtige Impulse für die Entwicklung des Bratschenspiels zu Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben hat. Er versteht es, die antiromantische „Sachlichkeit“ Hindemiths in dessen früher Sonate op. 11 Nr. 5 in all ihrer motorischen Wildheit, grellen Direktheit, aber auch eigenartigen Schönheit darzustellen. Die Passacaglia, ein über zwölf Minuten langer Satz, hat in seiner Interpretation eine faszinierende Dramaturgie: anfangs eine Gegenüberstellung von Klangblöcken und fragmentarisch wirkenden Melodien, dann ein Ausbruch von Bewegungsenergie, in der Mitte ein entspannt lyrisches Musizieren.
Die Musik dieser CD ist gewiss keine leichte Hörkost. Doch Penkov gelingt es, auf seinem Instrument Geschichten zu erzählen, die den Hörer emotional und intellektuell fesseln.
Franzpeter Messmer

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