Schaefer, A. T.

Wunderkammer Alte Musik

Die Schola Cantorum Basiliensis

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Edition Braus, Heidelberg 2009
erschienen in: das Orchester 10/2009 , Seite 64

Das von einem Verlag für fotografische Bücher herausgegebene Werk ist eine optische Huldigung an das älteste bestehende Institut für Alte Musik. Eingestreut zwischen den großformatigen Fotos sind Essays, die sich mit Geschichte, Aufgaben und Wandlungen der Schola Cantorum Basiliensis (SCB) befassen. Die Texte sind im Allgemeinen gut lesbar, zeigen Entwicklungen auf, befassen sich mit Problematiken und Chancen des vielfältigen Unterrichtens, die dieses Institut zu einer der führenden Forschungsstätten der Alten Musik gemacht haben. Peter Gülke und Thomas Drescher äußern sich, Gabriele Betancourt-Nun?ez würdigt den Fotografen. Deutlich wird dabei, dass es nicht nur um Konzerte und Schallplattenaufnahmen, später CDs geht, die den Ruhm der SCB begründet haben, sondern dass sie zur Theoriebildung der historisch informierten Aufführungspraxis, zur Quellenerschließung und Instrumentenkunde Wesentliches beigetragen hat. Hinzugefügt werden Details über den Schulbetrieb, über die Dozenten und Lernenden. Insoweit ist das Buch ein willkommenes Nachschlagewerk über die SCB.
Entscheidend aber ist der ästhetische Reiz, der von den Fotografien des Theaterfotografen A.T. Schäfer ausgeht. So nüchtern und sachlich die Beiträge und die Zahlen im Wesentlichen gehalten sind, so verklärt erscheinen viele Fotos. Brauntöne herrschen vor, wie weiland bei Rembrandt… Dabei unternimmt der Fotograf Exkursionen in Gebiete, die im Allgemeinen nicht mit der Alten Musik in Verbindung gebracht werden: Fensterausblicke, Schnürstiefel, ein „Schwarzes Brett“, Ausblicke auf die Stadt, Pflanzen im Umfeld der SCB – alles ist mit genauem Blick erfasst und liebevoll wiedergegeben. Hinzu kommen erlesene Fotografien von Lehrern und Schülern, u.a. von Andreas Scholl, René Jacobs und Hans-Martin Linde. Scheinbare Anachronismen nötigen ein Lächeln ab, so wenn z.B. neben einer Notenausgabe mit Alter Musik und einer Barockoboe ein elektronisches Gerät platziert wird, mit dem sowohl Stimmung als auch Tempo kontrolliert werden. Das Nebeneinander von alten Quellen und moderner Praxis wird so sinnfällig. Aber auch das Miteinander von Studenten verschiedener Nationalitäten wird problematisiert in einem Foto, in dem eine Wandtafel mit offensichtlich arabischen Zeichen dargestellt wird. Daneben findet sich die Notiz: „Ausländer müssen Wilhelm Tell gelesen haben.“ Bestechend sind einige Aufnahmen, in denen zumeist missachtete Details abgelichtet sind: das Schild, das zur Aufnahmeprüfung führt, ein altertümliches Waschbecken mit einem höchst modernen Stimmschlüssel auf der Ablage, die Regulierung eines Heizkörpers.
Ein schönes Buch ist daraus geworden, ein treffliches Geschenk im Nachklang zum 75-jährigen Jubiläum der SCB und ein Vergnügen für den Betrachter. Wesentliche neue Erkenntnisse freilich sucht man vergebens – die Kulinarik des Sehens steht im Vordergrund eines Buchs über Musik.
Diederich Lüken