Jean Françaix
Works for Wind
Orchestre de Chambre de Lausanne, Ltg. Nicolas Chalvin
Eine deutsch-französische Entente verschaffte der blasenden Zunft eine Reihe zündender Repertoirestücke für doppelt besetztes Bläserquintett (je zwei Flöten, Oboen, Klarinetten, Fagotte und Hörner). Vom Mainzer Verlagshaus des Komponisten angeregt, entwickelte sich zwischen Jean Françaix (1912-1997) und dem vormaligen Dirigenten des Mainzer Bläserensembles, Klaus Rainer Schöll, eine langjährige Freundschaft. Sie brachte sowohl bestechende Arrangements als auch geistblitzende Eigenschöpfungen des Franzosen hervor: einen Repertoireschatz ersten Ranges, den sich die famosen Bläsersolisten des Lausanner Orchestre de Chambre unter Leitung von Nicolas Chalvin glücklich zu eigen machten.
Unter dem verführerischen Titel Musique pour faire plaisir, der Maxime seines Schaffens, bearbeitete Françaix 1984 auf Schölls Vorschlag vier Klavierwerke seines Landsmanns Francis Poulenc, die das Lausanner Kammerorchester nun quasi als Motto an die Spitze seines vergnüglichen, mal auch sanft betrübenden CD-Recitals setzte: Valse (1919), Élégie (1959), Mélancholie (1940) und Embarquement pour Cythère (1951). Die Elegie und die Einschiffung nach Kythera versah er mit kurzen Einleitungen, die beiden mittleren Stücke verschränkte er raffiniert zur weltschmerzlichen Stimmungseinheit.
Diesen meisterlichen Arrangements – man sollte eher von schöpferischen Aneignungen sprechen – folgt ein Dreierblock hinreißender Originalwerke aus der Feder des Komponisten, der den farbschillernden Kirchenfenstern Olivier Messiaens und den seriellen Faltenwürfen Pierre Boulez’ eine Musik entgegenblies, die an Schmetterlingstänze im Sommerwind denken lässt. Die Neuf pièces caractéristiques (1973) sind ein neunteiliges Fresco voller Kühnheit, Witz und Humor, tändelnd zwischen sehnsüchtigem Liebesverlangen im 5/8-Takt, verwunschenem Notturno der Klarinetten und neckisch stammelndem Leggierissimo der Flöten – rhythmisches Vexierspiel, luftgeboren.
Die folgenden Sept danses (1970), seiner Ballettmusik Les malheurs de Sophie (1948) entlehnt, gleichen Tänzen auf der Nadelspitze. Sie spiegeln einzelne Episoden einer Erzählung der französischen Schriftstellerin Comtesse de Ségur aus dem Jahr 1864: Das Puppenspiel, Begräbnis der Puppe (eine Trauermarsch-Parodie), Vorstellung der besten Freunde (nonchalant und zwielichtig), Variation de Paul (der Frohnatur des nahen Cousins gewidmet), Pas de deux (träumerischer Paartanz von Sophie und Paul), Teestunde (voll aufschwingender Motive) und Tanz der Schmetterlingsnetze (virtuoser Bläserwirbel).
Die abschließende Élegie pour commémorer le bicentenaire de la mort de W. A. Mozart (1990) gibt sich der Trauer über den frühen Tod Mozarts vor damals 200 Jahren hin, den Françaix als „Katastrophe für die Musikwelt“ empfand.
Der Rest des hinreißend geblasenen Programms führt zurück in die hohe Kunst des humorigen „Arrangierens“, die Françaix diesmal dem Cortège burlesque von Emmanuel Chabrier, drei Écossaisen nebst fünf Volksliedvariationen Chopins und drei Militärmärschen Schuberts anträgt.
Lutz Lesle