Felix Mendelssohn Bartholdy

Works for Violin and Piano

Marc Bouchkov (Violine), Claire ­Huangci (Klavier), Kammerorchester Basel, Ltg. Howard Griffiths

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 70

Felix Mendelssohn Bartholdy trat solistisch vor allem als Pianist in Erscheinung, obwohl er in jungen Jahren auch Violine studiert hatte. So machte er zeit seines Lebens Kammermusik mit Geige (später auch mit Bratsche). Mit dem Streichinstrument war der Komponist also bestens vertraut, und so wundert es nicht, dass sich diese Beschäftigung in seinem Œuvre niederschlug. Was wäre das Violin-Repertoire ohne sein e-Moll-Konzert, op. 64 (1844)! Bereits 1822 hatte sich der junge Felix mit diesem konzertanten Genre auseinandergesetzt: im streicherbegleiteten, für seinen Geigenlehrer Eduard Rietz geschriebenen Violin-Konzert d-Moll. Ein Jahr später folgte ein Doppelkonzert für Violine und Klavier, in derselben Tonart. Darüber hinaus bereichern drei Violin-Sonaten die Kammermusik – sieht man von den Fragment gebliebenen Opera ab.
Das Label Berlin Classics hat eine CD mit Werken für Violine und Klavier veröffentlicht: Außen vor blieb zwar die frühe F-Dur-Sonate (1820), eingespielt wurden aber die Eduard Rietz gewidmete Sonate f-Moll von 1823, opus 4, und das späte F-Dur-Werk (1838).
Ergänzt werden die beiden Kammermusikwerke durch das Doppelkonzert. Zwei junge und ambitionierte Interpret:innen haben sich der solistischen Aufgabe gestellt: der belgische Geiger Marc Bouchkov (geboren in Montpellier) und die amerikanische Pianistin Claire Huangci, Tochter chinesischer Eltern. Im Konzert werden sie vom renommierten Kammerorchester Basel unter Howard Griffiths begleitet.
Die frühe f-Moll-Sonate steht noch in klassischer Tradition: Ihr werden die Solist:innen stilsicher gerecht, so, wenn sie die Sonatenform streng nachzeichnen und – nach der rhapsodischen Einleitung des Eröffnungssatzes – auf Rubati und Tempo-Modifikationen verzichten. Marc Bouchkov besticht mit schlankem Ton, Claire Huangci mit perlendem Spiel – ein durchaus ideales Interpreten-Duo. Die späte, reife F-Dur-Sonate, in Mendelssohns Erstfassung eingespielt, lebt dagegen bei ihnen von großer Geste und von zündendem Brio, auch wenn sie durchweg, selbst bei dem sprühenden, zirzensischen Finale, mit gezügelter Leidenschaft angegangen wird.
Schade, dass die Erstlingssonate in F-Dur nicht mehr auf die CD gepasst hat, dann hätte man die Entwicklung des Komponisten noch besser verfolgen können. Wettgemacht wird dies durch das Doppelkonzert (mit Streichorchester), bei dem sich Violinist und Pianistin im spritzigen Duo-Spiel und virtuosem Zugriff bestens ergänzen. Die Ecksätze gelingen schwung- und drangvoll, aber immer kultiviert und mit schönen Ruhepolen. Auch in diesem Werk bezaubern die Soli im Mittelsatz mit einem innigen Zwiegespräch. Howard Griffiths lässt das Kammerorchester Basel locker und mit durchsichtigem Klang begleiten, arbeitet die Nebenstimmen heraus, lässt nur in den Tutti-Passagen das Orchester markant auftrumpfen. Eine CD, die, so inspiriert musiziert, gute Laune macht.
Wolfgang Birtel