Scharwenka, Philipp
Works for Violin and Piano
Natalia Prishepenko (Violine), Oliver Triendl (Klavier)
Von den ersten Sekunden an macht diese Produktion deutlich, dass es sich bei den eingespielten Werken den zeitlich eng benachbarten Sonaten h‑Moll op. 110 (1900) und e‑Moll op. 114 (1904) sowie der etwas früher komponierten Suite g‑Moll op. 99 (1896) um einen schwergewichtigen Beitrag zum Kammermusikrepertoire an der Wende zum 20. Jahrhundert handelt.
Elektrisierend gerät den Interpreten der über unruhigen Tremoli gestisch auffahrende Beginn der h‑Moll-Sonate, wobei eine über den gesamten Kopfsatz hinweg beibehaltene Spannung erzeugt wird, die elegant eingestreuten Momenten agogisch ausgeklügelten Aufeinanderregagierens sei Dank immer wieder auch Auflockerungen erfährt, in denen die Musik sich von der Anspannung löst. Das kurze Largamente, mit zunächst bewusst kraftlos inszenierter Deklamatorik vorgetragen, zeugt anschließend von der Überlegung der Interpreten, dem Werk einen nachvollziehbaren Spannungsverlauf einzuschreiben. Dass sich die Musik hier nur kurz erholt, um dann in ein an den Kopfsatz erinnerndes Finale überzugehen, dessen Wechselspiel aus gezackten Verläufen und zarten, harmonisch farbenreichen Texturen die Spannweite der geforderten Ausdrucksmittel unterstreicht, lässt die ambitionierte Komposition wie aus einem Guss erscheinen.
Die e‑Moll-Sonate, gleichfalls dreisätzig, zielt trotz ernsten Tonfalls auf andere Wirkungen: Zwar weist auch ihr Kopfsatz einen dramatischen Impetus auf, doch setzt sich dazwischen immer wieder der Hang zu melodischer Emphase durch. Es ist das Verdienst der beiden Interpreten, das Pendeln zwischen diesen beiden Polen als Antrieb für die musikalischen Entwicklungen herauszuarbeiten und dabei auf eine differenzierte Palette von Klangfarben und dynamischen Abstufungen zurückzugreifen. Dies kommt auch dem Andante zugute, über dessen von Triendl filigran auseinandergefaltetem Akkordgewebe die Geigerin ihre feine Melodie spinnt, bevor dann im rhythmisch delikaten Finale ein Ausgleich der Stimmungen erreicht wird.
Originell ist auch Scharwenkas groß dimensionierte g‑Moll-Suite: Die zeittypischen Rückbezüge auf ältere Musik erscheinen hier stark gebrochen, sind eher als kurzes Aufblitzen in Gestalt vorübergehender kontrapunktischer Episoden in den virtuosen Duktus der Musik implementiert, wogegen das Moment des Fantasierens weitaus größeren Raum einnimmt. Jeder einzelne der vier Sätze entfaltet daher eine Art musikalisches Fabulieren, das an einigen Schlüsselstellen so in der kurzen Violinkadenz der Toccata, mit welcher der Komponist geschickt den späteren Umschlag nach Dur andeutet, oder im ausgedehnten Instrumentalrezitativ, mit dem er die finale Tarantella einleitet gar zu einer Stillstellung von Zeit ausgeweitet scheint.
Dass das kammermusikalische Dialogisieren von Prishepenko und Triendl in all diesen Fällen große Klasse zeigt und auch der enormen spieltechnischen Anforderung der Musik vollauf gerecht wird, macht die CD zu einer wirklichen Perle.
Stefan Drees