Stravinsky, Igor

Works for piano and orchestra

Alexej Gorlatch (Klavier), Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Ltg. Alondra de la Parra

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony Classical 88875121562
erschienen in: das Orchester 11/2015 , Seite 80

Spätestens seitdem Alexej Gorlatch beim ARD-Musikwettbewerb 2011 nicht nur den ersten Preis, sondern auch den Publikumspreis und noch weitere Auszeichnungen gewann, ist der 1988 in Kiew geborene, seit 1991 in Deutschland ansässige Pianist in aller Munde. Auf CD ist Gorlatch bislang hauptsächlich mit Werken Beethovens hervorgetreten; nun jedoch überrascht er mit einem reinen Strawinsky-Programm: dem Konzert für Klavier und Bläser, dem Capriccio sowie der frühen Sonate Fis-Dur. Damit beweist er einigen Mut, denn keines dieser Werke zählt zum Standardrepertoire. Den beiden konzertanten Stücken eignet zudem – zumal in weniger inspirierten Darbietungen – eine gewisse didaktische Kühle; insbesondere das Concerto kann unter Umständen wie ein Grundsatzreferat in Sachen Neoklassizismus klingen.
Nicht so hingegen bei Alexej Gorlatch: Er wirft sich mit geradezu diebischer Freude auf die zahlreichen rhythmischen Vertracktheiten der Soloparts, lässt sie dabei gleichzeitig so natürlich, tänzerisch und gutgelaunt erklingen, dass sich jeglicher „Neo“-Charakter wie von selbst auflöst. Dabei resultiert die mitreißende Verve von Gorlatchs Spiel keinesfalls aus besonders rasanten Tempi: Es ist vielmehr die absolute Präzision in der Handhabung der stets wechselnden Rhythmik, die hier im Vordergrund steht und den Charakter der Interpretationen prägt. Doch zeigt sich Gorlatch ebenso offen für die durchaus vorhandenen Zwischentöne der Musik, ihre vor allem in den Mittelsätzen hervorscheinende untergründige Melancholie – man höre etwa die nachdenkliche und gedankentiefe Darbietung des Largo aus dem Konzert.
Zum Erfolg der Veröffentlichung trägt zudem das extrem pointierte und farbenreiche Spiel des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters unter der Leitung der mexikanischen Dirigentin Alondra de la Parra bei. Das Orchester agiert hier als gleichberechtigter, die Lebendigkeit des Soloparts bzw. des Pianisten noch zusätzlich unterstreichender Partner. Den Namen dieser Dirigentin sollte man sich merken; leider schweigt sich das Beiheft über die Interpreten vollständig aus und verweist stattdessen auf ihre Internet-Auftritte.
Schlussendlich sei noch auf die Sonate verwiesen, für die sich Gorlatch – anstelle der sich eigentlich anbietenden späten Movements für Klavier und Orchester – zur Vervollständigung seines Programms entschied. Dies ist frühester Strawinsky, entstanden noch, bevor dieser bei Nikolai Rimskij-Korsakow Unterricht nahm. Folgerichtig findet sich in dem Werk noch wenig Persönliches, sondern vielmehr eine Aneignung von Grundzügen der russischen romantischen Klavierschule. Trotzdem lohnt die Bekanntschaft mit dem romantisch-schwelgerischen Stück, und Alexej Gorlatch bleibt dem jugendlichen Überschwang des ansprechenden Viersätzers nichts schuldig.
Thomas Schulz