Werke von Carl Reinecke, Sergej Prokofjew, George Enescu, Paul Hindemith und Ernst von Dohnányi

Works for Flute and Piano

Daniela Koch (Flöte), Oliver Triendl (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Indésens INDE 074
erschienen in: das Orchester 11/2015 , Seite 84

Schon sehr mutig, zwei so bekannten Stücken wie der Sonate Undine von Reinecke und der Sonate von Prokofjew, die beide in zahlreichen Referenz-Aufnahmen vorliegen, neue Seiten abgewinnen zu wollen. Aber genau das ist den beiden Interpreten hier ganz vortrefflich gelungen, und für eine insgesamt wohlüberlegte Programmauswahl spricht auch die Kombination mit Hindemiths Flötensonate, dem Cantabile und Presto von Enescu und der Aria von Dohnányi. Veröffentlicht wurde die Einspielung bei einem noch wenig bekannten französischen Label, das auf französische Musik und sich an deren Stilistik orientierende Musiker setzt. Obwohl diese Vorgaben formal gesehen nicht erfüllt werden, passt diese Einspielung inhaltlich doch genau ins Konzept von Indésens.
Musikalisch bleibt kein Wunsch offen, so überzeugend und wie selbstverständlich realisieren die Spieler Text und Ausdrucksgehalt. Daniela Koch mit tonlich und technisch vollkommen zu nennendem Flötenspiel und Oliver Triendl als in jeder Hinsicht gleichberechtigter Partner lassen der Musik die Zeit, die sie wie die Flöte zum Atmen braucht, gestalten wunderbar subtile Übergänge und rasante Steigerungen, und wie es scheint, ganz ohne den Wunsch nach Selbstdarstellung. Prokofjews Sonate ist nichts mehr davon anzumerken, wie schwer es der Komponist der Flöte eigentlich gemacht hat, ihren spezifischen Charakter zu behalten. So genuin flötengemäß, mit so kraftvoller Leichtigkeit und so umwerfend eleganter Präzision dürfte man den letzten Satz bisher nur selten, wenn überhaupt, gehört haben. In Reineckes Sonate wird das emotionale Wechselbad des Programms durch kluge Disposition der Effekte nachgezeichnet, dabei französische Expressivität gewinnend. Auch Hindemiths Sonate zeigt, besonders im langsamen Satz, eine ausgesprochen französisch anmutende Ausdrucksqualität.
Zwei kleinere Stücke, in beiden Fällen die einzigen Arbeiten ihrer Komponisten für diese Besetzung, ergänzen das Sonatenprogramm. Das Cantabile und Presto von George Enescu, der lange in Paris lebte und auch dort begraben ist, wurde für den Conservatoire-Wettbewerb von 1904 komponiert. Doch so einfühlsam und genuin französisch gespielt lässt es alle Wettbewerbserinnerungen verblassen. Geradezu eine Neuentdeckung ist die – leider nur selten zu hörende – Aria von Ernst von Dohnanyi, die zusammen mit einer solistischen Passacaglia sein in den Jahren 1958/59 entstandenes Opus 48 bildet. Wie sich die Flöte vom Klavierklang getragen in unendlichen Melodiebögen von as-Moll nach As-Dur träumt, das ist von intensiver Wirkung und ein passender Ausklang für diese eindrucksvolle Präsentation, die anzuhören größtes Vergnügen bereiten dürfte.
Angesichts ihrer Jugend ist von der Flötistin sicher noch viel zu erwarten, über eine fast unglaubliche Leichtigkeit des Flötenspiels verfügt sie aber auch jetzt schon. Schön, dass sie ihr erstaunliches Potenzial so bewusst und intensiv der Kammermusik widmet.
Ursula Pešek