Werke von Brahms, Bruch, Glière und Koussevitsky

Works for Double Bass and Piano

Nabil Shehata (Kontrabass), Karim Shehata (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 17448
erschienen in: das Orchester 06/2017 , Seite 70

Wenn es vielleicht auch nicht so wenige CDs mit Musik für solistischen Kontrabass gibt, wie man meinen könnte, so dürften Freunde des Instruments doch jede weitere Einspielung begrüßen, insbesondere, wenn sie die Diskografie auf so gelungene Weise erweitert wie diese. Mit Nabil Shehata – ehemals erster Solobassist der Berliner Philharmoniker, jetzt Professor an der Münchner Musikhochschule und zudem als Orchesterleiter aktiv – ist ein Meister des Instruments am Werk, der diesem alles an dunklen und hellen Tönen, alles an Schmelz und Gesang, selbst an Wendigkeit entlockt, was in ihm steckt.
Shehata ist zweifellos ein brillanter Virtuose, aber einer, bei dem technische Meisterschaft ganz selbstverständlich erst in der musikalischen Aussage ihre Erfüllung findet. Seine Tonbildung ist geschmeidig und sinnlich, ohne schwelgerisch zu sein, und besonders gefällt das elegante Vibrato, mit dem er die Noten zum Schwingen bringt. Fast überflüssig zu sagen, dass dieser Effekt nie mechanisch eingesetzt wird, sondern immer mit Bezug auf die musikalische Aussage, die Shehata mit natürlicher Phrasierung wie mühelos hervorzubringen weiß. Expressiv sind diese Darbietungen, und die musikalisch dichtesten Stücke der Aufnahme – die Ecksätze von Johannes Brahms’ für Kontrabass bearbeiteter Cellosonate e-Moll – entwickeln einen nachgerade dramatischen Sog; kein Zweifel: Durch das Arrangement (dessen Urheber man leider nicht erfährt) geht hier nichts verloren – im Gegenteil, auch mit dieser Besetzung entsteht ein genuines klingendes Kunstwerk.
Selbstverständlich hat daran auch Shehatas Klavierpartner, sein Bruder Karim, keinen geringen Anteil. Der versteht es, das musikalische Geschehen in allen Facetten, allen Gangarten und Stimmungen kongenial zu stützen. Besonders deutlich wird das vielleicht im stürmisch bewegten Finale der Brahms-Sonate, wo eine Interpretation von bemerkenswerter Geschlossenheit in knorrigem Charakter und drängendem Temperament gelingt. Das Mitreißende dieser Duo-Leistung macht beinahe vergessen, dass Karim Shehatas Spiel sonst nicht von gleichem gestalterischen Ehrgeiz geprägt scheint wie das seines Bruders. Zumeist wirkt sein Spiel korrekt – aber auch nicht mehr. Hinzu kommt, dass der bespielte Steinway-Flügel resonanzarm scheint, angeschlagene Töne fast sofort abklingen. Der Klavierpart von Max Bruchs (gleichfalls arrangiertem) Kol Nidrei beispielsweise wirkt trocken, passagenweise pausendurchsetzt und stockend.
Sowohl die gestalterische Zurückhaltung als auch der Klangcharakter des Flügels mögen bewusst gewählt bzw. eingerichtet sein, um das vergleichsweise zart klingende Streichinstrument akustisch nicht an den Rand zu drängen. Musikalisch hat das seinen Preis. Dennoch entstehen trotz dieser Einschränkungen im Miteinander der Interpreten sehr plastische, wenn nicht, wie bei Brahms, packende Interpretationen. Und das dürfte diese CD für Kenner und Liebhaber des Kontrabasses zu einer lohnenden Anschaffung machen.
Gero Schreier