van der Pals, Leopold

Works for Cello & Piano

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Polyhymnia PF 11001
erschienen in: das Orchester 03/2012 , Seite 78

Die CD ermöglicht einen Blick auf einen Teilaspekt im Schaffen eines leider vergessenen europäischen Tondichters. Leopold van der Pals wurde als Sohn eines niederländischen Industriellen und einer dänisch-stämmigen Mutter 1884 in St. Petersburg geboren. Ein Jurastudium brach er nach kur­zer Zeit ab und entschied sich für die Fächer Komposition, Cello und Klavier. Ab 1903 wurde er in Lausanne weiter ausgebildet, ab 1907 in Berlin, wo er eine Zeitlang durch Reinhold Glière unterwiesen wurde. Die Berliner Philharmoniker brachten 1910 seine erste Sinfonie zur Uraufführung, und in Berlin lernte er Rudolf Steiner kennen und schätzen, der für ihn zu einer einflussreichen Bezugsperson wurde. Nach Beginn des Ersten Weltkriegs übersiedelte er mit seiner Familie 1915 in die Schweiz, wo er mitwirkte beim Aufbau des Goetheanums in Dornach, das zum Zentrum der von Steiner begründeten Anthroposophie wurde. Von 1934 bis zu seinem Tod 1966 lebte er direkt in Dornach, komponierte und wirkte im Archiv des Goetheanums. Diese biografischen Angaben basieren auf Texten des liebevoll und intelligent verfassten Beihefts zur CD, das der Cellist Tobias van der Pals seinem Vorfahren zueignete.
Die eingespielten Kompositionen stammen durchweg aus den Berliner Jahren sowie aus den 1920er Jahren in der Schweiz; die erst 1960 entstandenen Zwei Stücke für Cello & Klavier op. 240 stehen für das Spätwerk. Zur Besetzung Cello/Klavier treten zwei Opera für Klavier solo hinzu, die Stimmungen op. 15, vier impressionistisch eingestimmte Sätze mit programma­tischen Titeln, sowie der großartige, langsame Espressivo-Satz In memoriam op. 16 von fast sechsminütiger Dauer, der sich auf ein reales Ereignis, den frühen Tod der Mutter, bezieht. Ein ähnliches Schaffensmotiv liegt der Elegie für Cello & Klavier op. 27 zugrunde, die 1914 in Berlin unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstand.
Zentrales, wichtigstes und zugleich einziges größeres Werk ist die 1922 entstandene dreisätzige, fast halbstündige Sonate für Cello & Klavier op. 48, die unterstreicht, was auch seine weiteren Stücke auf dieser CD auszeichnet: Leopold van der Pals geht von der Spätromantik aus; er bricht nicht mit der Tonalität, bereichert sie aber. Er erweitert sie z.B. durch impressionistische Elemente, wobei er Klarheit auch bei relativ sinfonischem Klangbild im Klaviersatz bewahrt. Besonders im langsamen Satz schafft er durch hartnäckige Wiederholungen eines einzelnen Tons, eines Akkordes bzw. durch vieltönige Zusammenklänge in der tiefsten Lage des Klaviers eine Atmosphäre, die etwas vom langsamen Satz aus Bartóks Klaviersonate (1926) vorausahnen lässt. Selbst unter Ausnutzung solcher Schlagzeugwirkungen bleibt van der Pals der große, ausdrucksvolle Melodiker, mit einem für ihn charakteristischen, fast immer leicht resignierten Tonfall. Diese Sonate kennen zu lernen, ist ein wirklicher Gewinn. Es ist an der Zeit, dass Werke des Komponisten endlich von einem Verlag herausgegeben und für die Musikwelt erschlossen werden.
Die beiden Interpreten Tobias van der Pals und Cathrine Penderup sind hervorragende Vertreter ihres Fachs, die der Musik in jeder Hinsicht gerecht werden. Es wäre eine echte Bereicherung, die Künstler in Konzerten und in weiteren Einspielungen erleben zu können.
Peter Roggenkamp