Richard Wagner

Winterstürme

Konzerte mit Ausschnitten aus ­Richard Wagners „Der Ring des ­Nibelungen“ Anja Kampe (Sopran), Stephen Gould (Tenor), René Pape (Bass), Staatskapelle Dresden, Ltg. Christian Thielemann

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Profil/Hänssler
erschienen in: das Orchester 12/2022 , Seite 64

Live von den Osterfestspielen Salzburg 2021 kommt die vorliegende CD. Aufgenommen wurde ein Konzert vom 31. Oktober 2021. Nanu, Osterfestspiele Ende Oktober? Was soll das bedeuten? Nun, die Antwort ist nicht allzu schwer: Die eigentlichen Osterfestspiele mussten im Jahre 2021 pandemiebedingt ausfallen. Ende Oktober wurden sie dann nachgeholt. Auf dem Programm stand ein Konzert mit Ausschnitten aus Richard Wagners Der Ring des Nibelungen unter der bewährten Leitung von Christian Thielemann. Und dieser vollbringt wieder einmal eine wahre Meisterleistung. Bereits den einleitenden ersten Aufzug aus der Walküre dirigiert er einfach phänomenal.
Mit enormer Intensität lotet er Wagners Musik aus, erzeugt enorme Spannungsbögen und wartet zudem mit einer fantastischen Linienführung auf. Die von ihm angeschlagenen Tempi sind ausgewogen und weder zu schnell noch zu langsam. Nach dem ersten Aufzug der Walküre folgen die symphonischen Zwischenspiele aus der Götterdämmerung. Hier beweist Thielemann, dass Stücke wie die „Morgendämmerung“ und „Siegfrieds Rheinfahrt“ durchaus nicht nur als kurze Erholung zwischen den großen Höhepunkten anzusehen sind. Mit der ihm eigenen Brillanz gibt er ihnen großes Gewicht. Sehr emotional und mit enormen Steigerungen erklingt der Trauermarsch. Bei Brünnhildes sehr ausdrucksstark dirigiertem Schlussgesang geht die spannungsgeladene Generalpause vor dem letztmaligen Erklingen des Erlösungs-Motivs besonders unter die Haut. Das ist eine ganz große Leistung des Dirigenten, der in den Musiker:innen der Staatskapelle Dresden wunderbare Partner hat. Sie setzen die Intentionen des Dirigenten aufs Genaueste und ­äußerst klangschön um.
Nun zu den Sängern:innen: ­Stephen Gould singt mit bestens ­fokussiertem, leuchtkräftigem und enorme Strahlkraft aufweisendem Heldentenor einen perfekten Siegmund. Für den Bösewicht Hunding klingt der über eine erstklassige italienische Technik verfügende und ebenmäßig geführte Bass von René Pape fast zu schön. Nicht ihren besten Tag hat Anja Kampe als Sieglinde. Immer noch voll überzeugend ist ihre äußerst leidenschaftliche Tongebung und die hohe Intensität, mit der sie die Rolle angeht. Weniger gefällt indes ihr starkes Vibrato. Und bei dem Schlussgesang der Brünnhilde stößt sie stark an ihre Grenzen. Da sie mithin gegenüber ihren Partnern deutlich abfällt, ist diese ansonsten tolle CD mit nur vier Punkten zu bewerten.
Ludwig Steinbach