Eva Batt
Wind strich eine Schattenmelodie
Duett für Violine und Kontrabass
Sieht man einmal von wenigen wirklich prominenten Stücken – beispielsweise von Krzysztof Penderecki, Isang Yun, György Kurtág oder Wolfgang Rihm – und vielen Bearbeitungen ab, ist das Duo für Violine und Kontrabass bis heute eine kompositorisch eher vernachlässigte und in ihren Möglichkeiten unterschätzte kammermusikalische Besetzung geblieben. Das ist bedauerlich, weil die Kombination dieser an entgegengesetzten Polen der Streicherfamilie agierenden Instrumente sehr viele Nuancen zu bieten hat.
In der 2018 entstandenen Komposition Wind strich eine Schattenmelodie weiß die Komponistin Eva Batt (*1965) diese Möglichkeiten zu nutzen und stellt sie in den Dienst einer Auseinandersetzung mit Sprache: Das zugrundeliegende Gedicht Vorausgegangen von Christiane Schwarze handelt von zwei sich liebenden Menschen, die durch den Tod eines Partners voneinander getrennt wurden, aber dennoch in ihrer Liebe gedanklich vereint bleiben.
Batt nähert sich dem Gedicht im Sinne einer „Vertonung“, indem sie die Atmosphäre des poetischen Gebildes musikalisch einzufangen sucht und dabei immer wieder das Verhältnis von Violine und Kontrabass als voneinander getrennte, aber dennoch zusammengehörige Positionen fasst. So bleiben die Instrumente zwar aufgrund ihrer Registerlagen als isolierte Charaktere markiert, doch nutzt die Komponistin diverse Möglichkeiten, um die Klangfarben einander anzunähern (und auf dem Höhepunkt gar miteinander zu verschmelzen) oder andere Arten der Annäherung zu realisieren.
Eine wichtige Rolle spielt hierbei der Rhythmus: Während etwa der Beginn sehr frei gehandhabt wird – die Violine umschreibt mit „sphärischem, geisterhaftem Klang“ eine in der drei- bis viergestrichenen Oktave angesiedelte Pianissimo-Kantilene, die vom Kontrabass mit einem Tremolo unterlegt ist –, finden die Partner im darauffolgenden Abschnitt immer wieder zeitweise in rhythmischen Unisoni zusammen.
Im dritten Abschnitt wiederum entspinnt sich im Bass ein Ostinato-Gerüst, in das die Violine ihren Part einpassen muss, während umgekehrt im vierten Teil das Geschehen von triolischen Verläufen und wechselseitiger Ausfüllung der kurzen Pausen des Gegenübers bestimmt ist.
Der fünfte Abschnitt ist ganz auf die aufführungspraktischen Freiheiten der Kontrabassstimme zugeschnitten, in denen Batt jazzartige Verzierungen zulässt. Schließlich vereinigen sich beide Instrumente in einem fast choralartig anmutenden, vibratolosen Satz, dessen Dreistimmigkeit eine vom Kontrabass bestimmte, uhrwerkartige Präzision zugrunde liegt. Insgesamt gibt das in zurückhaltend moderner Harmonik komponierte Stück den beiden Partnern einiges zu tun, ohne sie spieltechnisch zu überfordern, sodass sich die Gestaltung primär auf den Klang richten kann. Von Vorteil ist zudem, dass die Kontrabassstimme alternativ in einer Skordatur-Notation für einen Bass mit Solostimmung (Fis-H-E-A) vorliegt.
Stefan Drees