Turbin, Jason

Wilting Rose

für Englischhorn und Harfe, Partitur und Stimme

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Befoco, Coburg o.J.
erschienen in: das Orchester 10/2015 , Seite 71

Mehrfach kehrt die erste Figur in der Harfe, die das kleine Werk eröffnet, wieder. Ein Viertel Auftakt im ruhigen Viervierteltakt, dann eine Halbe, schließlich zwei Viertelnoten, im nächsten Takt ein weiteres Viertel und eine punktierte Halbe mit angebundener Halben im dritten Takt. Nach einer Viertelpause wiederholt sich eben dieser Rhythmus dreimal. An sich nicht aufregend, aber harmonisch verläuft diese Musik im bis zu sechsstimmigen Satz immer wieder ein bisschen anders, immer ein bisschen mehr modulierend und die Grundfarbe des Werks sofort vorgebend: irgendwie traurig.
Englischhorn und Harfe beschäftigen sich hier musikalisch immerhin mit nichts Geringerem als mit einer welkenden Rose – Gedanken an Vergänglichkeit allen Lebens sind impliziert, wie der 1991 in Los Angeles geborene Filmkomponist Jason Turbin im nur gut zwei Zeilen langen Vorwort aus dem Jahr 2014 bekennt.
Nach dem letzten langen, mit einer Fermate verzierten Akkord der Harfe steigt das Englischhorn mit Auftakt zu Takt 13 ein. Kurze zweitaktige Motive, die mit den Achteln der Harfe wechseln. Fast schlicht singen die beiden nun ein gefühlvolles Duo. Zugleich mit den neu auftauchenden Achteltriolenketten in der Harfe werden die immer wieder unterbrochenen Motive im Englischhorn zur Kantilene. Die Triolen bringen ein bisschen Fröhlichkeit in die schön gesetzte Trauer der vorherigen Takte.
Dann ändert sich die Stimmung. Das Englischhorn darf ein paar gut liegende Sechzehnteltriolen spielen, sich sogar bis zum Forte steigern. Die linke Hand der Harfe streut ein paar aufsteigende Bassfiguren dagegen und sorgt so für ein bisschen Bewegung. Ruhiger geht es nach dem nächsten Doppelstrich weiter, obwohl die fast pastorale Melodie des Englischhorns immer wieder von der Harfe unterbrochen und vorangetrieben wird. Ein kurze Triolenpassage im Englischhorn, mehrstimmige volltönende Akkorde der Harfe und zwei Mal ein Cresccendo bis zum Forte, auch die nach oben strebende Melodik, lassen Freude und Hoffnung gegen Ende aufleuchten. Leise, aber das Englischhorn bis zum notierten d”’ schickend (und damit einmal die schöne hohe Lage des Instruments betonend) geht die Musik zu Ende. Die welkende Rose scheint gar nicht mehr unglücklich.
Es gibt nicht viele Werke für Englischhorn und Harfe. Dieses hier lotet die fast märchenhaften Klangmöglichkeiten der beiden Instrumente zart aus, setzt auf den latent sentimentalen Charakter des Englischhorns und dessen Fähigkeit, an sich schlichte Melodien in große Kantilenen umzuwandeln. Die große Konzertharfe zeigt sich als selbstbewusste Partnerin,
die akustisch gegenüber dem Doppelrohrinstrument nicht untergeht. Das technisch recht simple, musikalisch schnell verständliche und sehr genau mit Vortragszeichen bestückte Werk ist eine lohnenswerte Ergänzung des Repertoires dieser seltenen Besetzung. Rund sechs Minuten ist das einsätzige Werk lang.
Heike Eickhoff