Christopher Peter

Wiesbaden: Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt

In Wiesbaden begeistert das Hessische Staatsorchester erstmals ­wieder in voller Stärke mit Werken von Weill und Lindberg

Rubrik: Bericht
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 53

Noch ist Patrick Lange offiziell Generalmusikdirektor am Hessischen Staatstheater Wies­baden. Doch der Abschied vom Opernhaus ist nach Meinungsverschiedenheiten über die Ausrichtung des Hauses de facto schon vollzogen. In Vorstellungen und Proben tritt er weiterhin mit seinem Orchester auf. Wie eng die Verbindung von Dirigent und jedem einzelnen Mitglied des Klangkörpers ist, war im Sinfoniekonzert „WIR 3“ zu spüren und zu sehen.
Zum Konzertbeginn: Lange trat nur mit Mikro­fon bewaffnet und dem Solisten des Abends, Klarinettist Sebastian Manz, an seiner Seite im halb gefüllten Wiesbadener Kurhaus vor das Publikum. Kurzfristige Absagen und Änderungen ist man im Corona-Spätherbst beinahe gewohnt, schlechte Nachrichten sind fast an der Tagesordnung. Doch Erfreuliches wurde verkündet: Nicht nur vermittelten die beiden Protagonisten ungeschützt ihre Freude über das erste groß besetzte Konzert nach sehr langer Zeit. Auch machten sie aus ihrer Begeisterung über den Inhalt des Programms keinen Hehl. Unter der Hand sei das Klarinettenkonzert des finnischen Komponisten Magnus Lindberg (*1958) in den ersten zehn Jahren nach Abschluss der Komposition 2002 in Profikreisen als ganz heißes Eisen gehandelt worden. Erst nach dieser Zeit durfte es offiziell durch andere als den Uraufführungsinterpreten Kari Kriikku aufgeführt werden.
Indem Manz dem Wiesbadener Publikum Klarinetten-Techniken vorführte und von den diversen Kadenzen des Stücks – fest komponiert bis völlig frei – berichtete, wurde verständlich, worin der ungemeine Reiz des Werks besteht. Und welch große Aufgabe dieses Werk für ihn als Solisten darstellt, weil er fast durchgehend in hohen Lagen spiele und immerzu mit komplizierten Spaltklängen arbeite. Doch das Ergebnis sei es mehr als wert. „Man übt und übt daran, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt“, stellte Manz fest, der sich als einnehmender Musikvermittler präsentierte. Seine Einführung war vollständig improvisiert, erst Minuten zuvor hatte er vorgeschlagen, sie zu halten. So etwas vor einem maximal anspruchsvollen halbstündigen Solokonzert zu wagen, erfordert Mut und großes Vertrauen in den musikalischen Gegenpart in Person von Lange und seinem Staatsorchester.

 

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