Till Haberfeld/Oswald Georg Bauer
Wieland Wagner
Revolutionär und Visionär des Musiktheaters
Pünktlich zum 100. Geburstag des bedeutenden Wagner-Enkels erscheint dieser aufwendig produzierte Bildband. Er enthält neben einem Grußwort der Tochter Daphne sowie des Herausgebers Till Haberfeld einen Einführungstext von Oswald Bauer: Wieland Wagner Der Weg ist das Ziel. Alle weiteren Texte, die Bilderfolgen kommentierend und ergänzend, stammen ausschließlich von Wieland selbst bzw. Interviews mit ihm.
Wieland Wagner, der schon während der NS-Zeit Bühnenbilder für die Bayreuther Festspiele entwarf, vollzog nach dem Krieg einen radikalen Bruch mit der für ihn künstlerisch wie persönlich dunklen Vergangenheit und entwickelte ab den frühen 1950er Jahren sein Credo für Wandel und Erneuerung der inszenatorischen Theaterpraxis, eine Philosophie, mit der er insbesondere in Bayreuth selbst zunächst Unverständnis und Widerstand provozierte, auch seitens der alteingesessenen Dirigenten wie Hans Knappertsbusch. Seine Unbeirrbarkeit und Konsequenz, den einmal eingeschlagenen künstlerischen Weg fortzusetzen, legten den Grundstein für seine international erfolgreiche Karriere, die mit seinem frühen Tod 1966 abrupt endete, aber zu einer gewissen legendenhaften Verklärung seines Schaffens führte.
Sein Ruhm gründet sich allerdings aus heutiger Sicht wohl eher auf die fundamentale Abkehr vom bis in die 1940er Jahre vorherrschenden naturalistischen Stil hin zur Abstraktion und symbolhaften Gewalt seiner Bühnenbilder. Da es nur wenige Filmdokumente von Wagners Inszenierungen gibt, liegt die künstlerische Bedeutung seines Schaffens wohl weniger in der Personenregie, vielmehr in den Choreografien (assistiert und maßgeblich unterstützt bzw. geprägt von Wielands Frau Gertrud) und der akribischen Beleuchtungstechnik, an deren Perfektion er in geradezu fanatischer Probenarbeit unerbittlich feilte. Die großformatigen qualitativ hervorragend reproduzierten und chrono-logisch nach Werken angeordneten Fotodokumente von Wielands Inszenierungen mit Schwerpunkt Bayreuth tragen zwangsläufig zur Verstärkung dieses Eindrucks bei.
Sicherlich nicht so bekannt wie Wagners Bayreuther Festspielinszenierungen, die er von 1951 bis 1966 komplett alleine gestaltete Gastregisseure lehnte er mangels qualitativer und innovativer Konzepte vehement ab , sind seine Inszenierungen von Opern anderer Komponisten. Dabei fällt auf, dass Wieland an Opern aus dem 20. Jahrhundert eher weniger interessiert war. Eine Ausnahme ist Alban Berg. Davon zeugt der Frankfurter Wozzeck von 1966 und liefert einen Ausblick, was an künstlerisch revolutionären Neuerungen in der Zusammen-arbeit mit dem Dirigenten Pierre Boulez in Bayreuth möglich gewesen wäre, lässt erahnen, dass Wieland erst mit Boulez auf musikalischem Gebiet wohl endlich ein kongenialer Partner zur Seite gestanden hätte.
Den Aufbruch in eine neue Ära der Opernregie ab den 1970er Jahren in Bayreuth hat Wieland Wagner leider nicht mehr erleben können, die Entwicklung dazu hat er aber sicherlich angestoßen.
Kay Westermann