Cullmann, Heiko / Michael Heinemann (Hg.)

“…wie es uns gefällt.” – Kurt Weill: The Firebrand of Florence

Eine Werkmonografie in Texten und Dokumenten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Thelem, Dresden 2014
erschienen in: das Orchester 09/2014 , Seite 70

Warum wurde Kurt Weills The Firebrand of Florence in Amerika kein Erfolg, in Europa kaum  wahrgenommen? Weil der Komponist versucht hatte, eine „Broadway-Operette“ zu kreieren? Oder war, kurz nach Kriegsende, das „Firebrand“, der Feuerkopf, im Titel zu nah an der Feuersbrunst, die die Europäer gerade erlebt hatten? Diese und andere Fragen beantworten die Experten einer Tagung der Staatsoperette Dresden, wo das Werk unter dem Titel Viel Lärm um Liebe 2013 seine europäische szenische Erstaufführung erlebte (siehe das Orchester 1/14, S. 65), 68 Jahre nach der Uraufführung am 22. März 1945 in New York, mit nur einer Folgeinszenierung 1999 an der Ohio Light Opera.
Joel Garland, Professor für Musiktheorie in Florida, kritisiert in der ausführlichen Entstehungsgeschichte, dass die Hauptfigur zum „Möchtegern-Casanova“ entschärft, aus einem „antiheroischen Enfant terrible eine konventionelle Operettenfigur“ wurde. Ähnlich argumentiert auch Michael Heinemann, Professor für Musikgeschichte in Dresden, der das Buch zusammen mit Chefdramaturg Heiko Cullmann herausgegeben hat: Die Handlung sei zur Posse verkürzt, von Dämonik kaum mehr Spuren zu finden. Er kritisiert die Versuche, die Fokussierung auf einen Künstler, der glaubt, Gesetz und Moral für sein Genie usurpieren zu können, auf eine simple Beziehungsgeschichte zu reduzieren.
Nicht zu kritisieren sei aber Weills Intention, Oper nach europäischem Standard im amerikanischen Exil zu etablieren. Auf diese „geteilte Welt“, die Trennung in den europäischen und den amerikanischen Weill, geht Joachim Lucchesi, Professor für Musikgeschichte in Ludwigsburg, ein, indem er Konstanten in der Biografie Weills und Brüche in der Rezeption darstellt. Für ihn deutet die „lobenswerte Pioniertat Dresdens“ auch auf die „Leerstelle“ hin, nachdem 1933 das Musikleben gründlich „bereinigt“ worden sei.
Giselher Schubert, Professor für Musikgeschichte in Frankfurt am Main, widerspricht dem Vorurteil, Weill sei der Inbegriff eines Komponisten von stets angepasster Musik, vielmehr sei er seiner musikalischen Poetik „ein Leben lang gefolgt“ und sie ermöglichte es ihm, seine Musik umzustellen und intim dem jeweiligen Zweck anzupassen, ohne etwas von ihrer eigenwilligen Substanz zu opfern. Walter Schmitz, Professor für Neuere deutsche Literatur und Kulturgeschichte in Dresden, schließlich sieht Firebrand in der Werklinie des „amerikanischen Weill“ als Wende gleichsam zurück nach Europa, die auf jeden „Transfer“ aus der alten in die neue Welt verzichtete.
Ergänzt wird das interessante kleine Buch durch Kritiken zur Uraufführung und zur Dresdner Inszenierung. Möglicherweise wird es zum Auftakt einer kleinen Reihe von Werkmonografien der Staatsoperette Dresden. Nächster Anlass könnte die Ausgrabung der Johann-Strauß-Operette Cagliostro in der kommenden Spielzeit sein.
Ute Grundmann

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