Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Nepomuk Hummel und Johann Baptist Vanhal

Sophie Dervaux (Fagott und ­Leitung), Mozarteumorchester ­Salzburg

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Berlin Classics
erschienen in: das Orchester 10/22 , Seite 73

Die ausgezeichnete Solo-Fagottistin der Wiener Philharmoniker Sophie Dervaux präsentiert auf ihrem zweiten Album Werke von Mozart, Hummel und Vanhal. Erfrischend anders wirkt die süßkirschenrote Aufmachung. Neun großflächige Fotos inszenieren die Künstlerin als Diva assoluta auf High Heels und als socialmedia-affine Influencerin. Und das ist gut so, denn so wird besonders das junge Publikum für ihr Instrument begeistert. Das bekannteste Werk für das Fagott ist das Konzert in B-Dur KV 191 von Wolfgang Amadeus Mozart. Es ist allein schon ein Statement, diese Komposition als Eröffnung zu wählen. Sophie Dervaux’ Mozart erklingt unvoreingenommen, befreit von jener dogmatischen Patina, die in tausenden Unterrichtsstunden, Klassenabenden und Probespielen abgerufen wird. Dieser Mozart soll für alle sein. Eine zügige Tempowahl und ein durchgehend sehr weiches Staccato schaffen eine spielerische Leichtigkeit. Der wunderschöne, volle und dunkle Klang ihres Püchner-Fagotts ist eine Wohltat. All dies ist in sich schlüssig präsentiert, klingt kurzweilig und kostbar. Und dennoch wünscht man sich zuweilen jene Adagio-Gesänge eines Milan Turkovi´cs zurück, die in seiner legendären Aufnahme (1979) für glückliche Augenblicke den Blick ins Paradies eröffnet haben.
Die komplette Innenseite des Book­lets ziert ein Abbild der rechten Hand der Solistin, einen Dirigierstab haltend. Denn Sophie Dervaux gibt ihr Debüt als Dirigentin bekannt. Die Energieübertragung auf andere Musizierende und die Hörenden durch artige Zeichengebung ist ihr hier durchaus gut gelungen. Besonders deutlich wird dies in der Einspielung des Grand Concerto ­F-Dur des österreichi­schen Komponisten Johann Nepomuk Hummel (1778 – 1837). Das superb durch Sophie Dervaux geleitete Mozarteumorchester Salzburg begleitet hellwach und wirkt durch die überschäumende Musikalität der fagöttlichen Solistin hochmotiviert. Dieses Konzert galt in seiner Entstehungszeit um 1805 wegen der technischen Anforderungen im Solopart lange als unspielbar. Heute lauscht man atemlos Sophie Dervaux, deren rekordverdächtige Tempi alles federleicht strahlend und elegant erscheinen lassen. Ihr ist eine beeindruckende Referenzaufnahme gelungen.
Das eigentliche Wunder jedoch kommt zum Schluss: Die Entdeckung des Konzerts Nr. 2 C-Dur von Johann Baptist Vanhal (1739-1813) – verlegt bei Accolade und vorzüglich editiert von Hans-Peter Vogel – ist sicherlich eine der bedeutendsten Publikationen der letzten Jahre. Die kluge Orchesterinstrumentation, erweitert durch zwei Trompeten und Pauken, schafft in den Ecksätzen einen festlichen Charakter.
Sophie Dervaux lebt diese Musik, lässt die wunderschön gesanglichen Themen strömen und die virtuosen Passagen perlen dahin wie ein klarer Wasserfall. Also doch ein klitzekleiner Blick ins Paradies.
Holger Simon