Richard Strauss/ Gustav Mahler/ Alexander Zemlinsky
Werke von Strauss, Mahler und Zemlinsky
Bruno Borralhinho (Violoncello), Christoph Berner (Klavier)
Drei Meister auf dem Weg zu sich selbst: Wir hören Jugendwerke bedeutender Komponisten der Zeit um 1900, von denen indes nur einer – Richard Strauss – schon in frühen Jahren als Großmeister der Zunft bewundert wurde. Gustav Mahler machte Karriere als Dirigent, seine Kompositionen blieben zu Lebzeiten umstritten. Alexander Zemlinsky lebte ein wenig im Schatten der „Alpha-Tiere“, seinem Werk wurde erst in den vergangenen Jahrzehnten Anerkennung zuteil.
Dass die drei Werke zwischen 1883 und 1894 und zudem im süddeutsch-„kakanischen“ Kulturraum entstanden, könnte auf stilistische Affinitäten schließen lassen. Um so auffälliger die Unterschiede: Die Strauss’sche Cellosonate op. 6, ein Werk des Neunzehnjährigen, prägt ein klassizistischer Duktus, wobei ihre Themen spätere Eulenspiegeleien erahnen lassen. Sein Erweckungserlebnis durch die Musik Wagners stand Strauss noch bevor, wohingegen es in Zemlinskys 1894 entstandener a-Moll-Sonate post-tristanisch brodelt. In punkto Harmonik spricht diese Musik verglichen mit der schumannesken Welt des jungen Strauss eine avancierte Sprache. Überdies entstand Zemlinskys Sonate in zeitlicher Nähe zu seiner Oper Sarema. Deren Handlung spielt im Kaukasus, und Zemlinsky hat hierfür ein Idiom entwickelt, das er, nicht ohne Ironie, als „tscherkessisch“ bezeichnete. Es fand auch Eingang in die ersten beiden Sätze der Cellosonate.
Zwischen den Sonaten erklingen Gustav Mahlers Lieder eines fahrenden Gesellen in einem Arrangement, das Bruno Borralhinho, Cellist der vorliegenden Aufnahme, angefertigt hat. Trifft es zu, dass – wie der Booklettext andeutet – die Kühnheiten und lyrischen Qualitäten der Lieder in textloser Version besonders deutlich hervortreten? Ist nicht vielmehr ihr Quasi-Volkston in hohem Maß an die von Mahler verfassten Texte (man mag sie mögen oder nicht) gebunden?
Der portugiesische Cellist Bruno Borralhinho ist Mitglied der Dresdner Philharmonie und Leiter des Ensemble Mediterrain. Sein Kammermusikpartner, der österreichische Pianist Christoph Berner, hat sich als Liedbegleiter einen Namen gemacht. Er wirkt seit 2014 an der Zürcher Hochschule der Künste. Mag der Interpretation der Strauss-Sonate gelegentlich jugendliches Ungestüm fehlen, so werden wir hier wie auch in den anderen Werken entschädigt durch exquisites Zusammenspiel, ausgewogene Tempi und perfekte Balance zwischen Expression und Strukturempfinden. Borralhinho entlockt seinem Cello wunderbare Farbnuancen, und das Spiel des Duos besticht durch Liebe zum Detail ebenso wie durch geschmackvolle Phrasierung und Großraum-Gestaltung.
Ihm zu lauschen wäre noch genussreicher, hätte das technische Personal größeres Gewicht gelegt auf die Vermeidung des Kardinalfehlers jeder Cello-Klavier-Einspielung: einer zu lauten Aussteuerung des Klaviers. Leider geht dadurch manche Passage der Cello-Mittellage unter. Dennoch – zumal dank der lohnenden Repertoireerweiterung durch die Zemlinsky-Sonate – eine gelungene Produktion!
Gerhard Anders