Werke von Schönberg, Messiaen und Ravel

Francesco Piemontesi (Klavier), Orchestre de la Suisse Romande, Ltg. Jonathan Nott

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Pentatone
erschienen in: das Orchester 04/2023 , Seite 69

Von Ernest Ansermet 1918 in Genf gegründet, strahlte das Orchestre de la Suisse Romande bald über den Landesteil hinaus. Längst bespielt es zudem die Radio Television Suisse und das Grand Théâtre de Genève. Unter der Obhut des britischen Dirigenten Jonathan Nott, der 2017 – nach 16 erfolgreichen Jahren als Chef der Bamberger Symphoniker – die künstlerische Leitung des Schweizer Orchesters übernahm, gewinnt dieses zunehmend internationale Bedeutung als Sendbote jüngster Orchesterliteratur (wie unlängst in der „musica viva“ des Bayerischen Rundfunks in München).
Diesem Anspruch entsprang auch die Idee, eine Liaison mit dem niederländischen CD-Label Pentatone einzugehen, um unter Mitwirkung des hierfür prädestinierten, derzeit in Berlin lebenden schweizerischen Pianisten Francesco Piemontesi eine Serie neuerer, wertbeständiger Werke mit obligatem Klavier auf den Markt zu bringen. Die erste Wahl fiel auf je eine Komposition der 30er, 40er und 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts, deren Entstehung der kundige Beiheft-Kommentator Nigel Simeone auf eine Gemeinsamkeit zurückführt: die „American connections“ ihrer Autoren.
Zwar regt sich im Kopfsatz von Ravels Klavierkonzert G-Dur (1932) baskischer Volkston und im Mittelsatz Mozarts Geist. Doch das Perpetuum mobile des Finales verwirbelt russisches Jahrmarktskolorit aus Strawinskys Petruschka mit Anspielungen aus Gershwins Concerto in F. Blue Notes, Schleifer und Synkopen in Jazzmanier, an Ravels USA-Reise 1928 erinnernd – für die Genfer und ihren Solisten ein unverwelkter Garten der Lüste.
Offener zeigt sich der autobiografische Hintergrund in Schönbergs Klavierkonzert in einem Satz (1942). Der Reihentechnik unterworfen, bewahrt es gleichwohl seine Wiener Wurzeln, indem es überkommene Ausdrucks­charaktere verwendet (wiegender Walzer, Scherzando, Adagio, Rondo giocoso). Sie bilden vier Sektionen, in denen sich die Erfahrungen des Emigranten spiegeln, wie aus den Werkskizzen hervorgeht. Im Adagio-Teil lassen verhuschte Streicher, insistierendes Blech und verstörtes Klavier (Solokadenz) unerbittlich hören, was dem Komponisten 1933 in Berlin widerfuhr: „A grave situation was created.“
Als Gastdozent in Tanglewood erwarb Olivier Messiaen 1949 eine Schallplattenreihe „American birdsongs“. Sie wurde zur Inspirationsquelle seiner Oiseaux exotiques (1956), obwohl auch Vögel anderer Weltgegenden die Partitur bevölkern. Vogelgesänge galten ihm als Schöpfungslob. Seiner Rolle als Geisteserbe von Yvonne Loriod (Messiaens Gattin, der das Werk gewidmet ist) wohl bewusst, widmet sich Francesco Piemontesi dem kniffligen Klavierpart mit Demut und Hingabe, während Jonathan Nott das kleinbesetzte Orchester zu äußerster Feinarbeit anhält.

Lutz Lesle