Richard Strauss

Werke von Richard Strauss

Yuya Wang (Klavier), Yo-Yo Ma (Violoncello), Gewandhausorchester Leipzig, Boston Symphony Orchestra, Ltg. Andris Nelsons

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Grammophon
erschienen in: das Orchester 01/2023 , Seite 69

In seiner Eigenschaft als Chefdirigent des Boston Symphony Orchestra und des Leipziger Gewandhausorchesters hat Andris Nelsons in den Jahren 2017 bis 2021 eine Auswahl aus den Werken von Richard Strauss mit seinen beiden Orchestern eingespielt. Neben den neun Werken, die gerne unter dem Titel „Tondichtung“ zusammengefasst werden, enthält die Edition auch das Festliche Präludium zur Einweihung des Wiener Konzerthauses, die frühe Burleske für Klavier und Orchester, die Metamorphosen sowie eine lose Reihung von Auszügen oder Paraphrasen aus Opern und dem Ballett Schlagobers. Mit großer Eloquenz erläutert der äußerst informative Booklettext die Programmwahl und beruft auch die große Strauss-Tradition der beiden Orchester unter Dirigenten wie Fritz Reiner, William Steinberg, Kurt Masur.
Die Spielkultur beider Orchester steht außer Frage sowie der nur lose Konnex zum Komponisten, der wenige Male die genannten Orchester dirigierte. So ist denn auch der interpretatorische Zugang zu den Werken nicht etwa durch Strauss’ Vorbild geprägt, sondern durch eine eigene, mit Blick auf den Notentext keineswegs immer zielgenaue Sichtweise. Das beeinträchtigt nicht etwa die Wirkung der Kompositionen, allerdings den Blick auf das kompositorische Detail. Die Alpensinfonie etwa gerät zum Cinemascope-Breitwandkino, weit entfernt von symphonischer Materialverarbeitung, und auch in Don Quixote verliert sich das Boston Symphony Orchestra im Effekt, statt die Formstrukturen des Werks herauszuarbeiten. Klarer konturiert, wenn auch gleichfalls durch den Prunkmantel fast erdrückt wirkt die Symphonia Domestica.
Merkwürdigerweise stehen auch die Einspielungen aus Leipzig Strauss’ Stil eher fern und wirken, besonders im Vergleich zu Nelsons Strauss-Einspielungen aus Birmingham, etwas behäbig (Heldenleben); doch auch sonst scheint die internationale Karriere Nelsons’ nicht mehr die Zeit zu lassen, die Musik sorgfältig neu einzustudieren, was etwa in nicht ganz organischem Aufbau (Macbeth) oder dem Vertrauen auf den Breitwandsound in Also sprach Zarathustra oder den illustrativen Zauber in Aus Italien resultiert; selbst der „Tanz der sieben Schleier“ gerät spannungslos. In der Wiedergabe des Festlichen Präludiums zelebriert Nelsons (mit beiden Orchestern und Olivier Latry) eine Monumentalität, die zwar die Nähe zur Alpensinfonie betont, aber dem Stil der Musik eher fern steht.
Angesichts überwältigender Konkurrenz wäre es ratsam gewesen, stärker auch Außenseiterrepertoire (den Panathenäenzug, die Japanische Festmusik, den Walzer München oder das Duett-Concertino) einzubeziehen. Der Schlagobers-Walzer und die „Symphonische Fantasie“ aus Die Frau ohne Schatten geraten zu Highlights dieser Edition. Wollen wir hoffen, dass Nelsons bei seinen Einspielungen Strauss treu bleibt und vielleicht die eine oder andere weitere Einspielung vorlegt.
Jürgen Schaarwächter