Carl Maria von Weber, Karol Kurpin´ski und Bernhard Henrik Crusell

Werke von Carl Maria von Weber, Karol Kurpin´ski und Bernhard Henrik Crusell

Sharon Kam (Klarinette), ORF Symphonieorchester Wien, Ltg. Gregor Bühl

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Orfeo C995201
erschienen in: das Orchester 10/2020 , Seite 70

Welche virtuosen Ansprüche konzertierende Klarinettisten bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfüllen konnten, zeigen sinnvoll für diese CD zusammengestellten Werke aus der ersten Blütezeit der Klarinette als Soloinstrument. Dabei begegnet man mit Carl Maria von Webers Klarinettenkonzert Nr. 2 in Es-Dur op. 74 aus dem Jahr 1811 Bekanntem und mit dem im gleichen Jahr erschienenen Konzert Es-Dur op. 1 des komponierenden finnischen Klarinettisten Bernhard Henrik Crusell (1775-1838) und besonders dem einsätzigen Konzert B-Dur von 1823 des Polen Karol Kurpiński (1785-1857) Unbekannterem. Diese Werkauswahl lädt zum Vergleich ein.
Dabei steht das noch vor Weber entstandene Konzert von Crusell – erste Erwähnung findet es 1807 – diesem kaum nach, da Crusell ein sehr begabter Komponist ist, der dem Orchester eine maßgebende Rolle am musikalischen Geschehen zukommen lässt und die Klangfarben des Orchesters geschickt zu nutzen weiß. Dass sich in der Behandlung des Soloparts, z.B. im sprunghaften Wechsel der Tonlagen, Ähnlichkeiten in Webers Konzert finden, ist wenig verwunderlich, da Weber mit Heinrich Baermann einen vorzüglichen Klarinettisten zur Hand hatte. Beide Komponisten teilen die Vorliebe für scharf punktierte Rhythmen. Unterschiedlich sind die langsamen Sätze: Während man bei Crusell eher den Eindruck eines Intermezzos hat, erreicht Weber eine größere Ausdruckstiefe.
Karol Kurpiński zeigt beim ersten Einsatz der Klarinette eine große Nähe zum Beginn von Webers Konzert. Auch andere Stellen lassen darauf schließen, dass er das Werk kannte und im Ohr hatte, ohne Weber aber zu kopieren. Die etwas einfachere Ausgestaltung des Orchestersparts wird durch die stellenweise mit dem Solopart verknüpften Bläsersoli des Orchesters etwas ausgeglichen. In dem einsätzigen Konzert(satz) werden auch die kantablen Möglichkeiten der Klarinette vielfach zur Entfaltung gebracht.
Sharon Kam präsentiert die Konzerte mit leichtem, hellem Ton und makelloser Technik inklusive einer – ein wenig zur Schau stellenden – Staccatotechnik. Die lyrischen Partien leben von feinen dynamischen Abstufungen und recht geschmackvollen Rubati.
Webers zweites Klarinettenkonzert hat die Solistin nach über zwanzig Jahren zum zweiten Mal aufgenommen. Ein Vergleich mit der Aufnahme aus dem Jahr 1996 mit dem Gewandhausorchester unter Kurt Masur zeigt in den Ecksätzen jetzt ein schnelleres Tempo, das die Spieldauer um jeweils etwa eine halbe Minute verkürzt und dadurch die Lust an der Virtuosität mehr ins Blickfeld rückt. Dagegen hat die frühere Aufnahme eine größere Ausdrucksintensität und Sharon Kams Ton ist etwas voller und vermittelt mehr Wärme, die der etwas routinierter wirkenden Neuauf-nahme fehlt.
Das Orchester unter der straffen Leitung von Gregor Bühl begleitet solide, lässt aber in der dynamischen Differenzierung und Transparenz einige Wünsche offen.

Heribert Haase