Werke von Beethoven, Mendelssohn Bartholdy und Kasseckert

Gerlint Böttcher (Klavier), Südwest-deutsches Kammerorchester Pforzheim, Ltg. Timo Handschuh

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Hänssler Classic
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 69

Dass die Pianistin Gerlint Böttcher eine Künstlerin mit besonders sensiblem und präzisem Anschlag ist, demonstriert sie bei dieser akustisch transparenten Aufnahme mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim unter der einfühlsamen Leitung von Timo Handschuh.
Gleich bei Ludwig van Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur op. 15 betont sie sehr ausdrucksvoll die Melodie des reichverzierten Largo-Satzes. Es ist ein schönes gesangliches Thema, das den Zuhörer hier tief beeindruckt. Auch das folgende Rondo sprudelt keck und wandlungsfähig dahin. Alles scheint in einem erfrischenden musikalischen Fluss zu sein. Die spielerische Heiterkeit mindert die Wirkung nicht.
Das großangelegte Allegro mit seinen kunstvollen dynamischen Steigerungen fesselt vor allem aufgrund der Virtuosität, mit der Gerlint Böttcher hier agiert. Die übermütige Laune des Rondo-Finales wirkt bei Gerlint Böttchers Spiel zupackend und luftig-leicht zugleich. Auch die tänzerischen Seitenthemen kommen nicht zu kurz und selbst das kontrastreiche Spiel besitzt dabei dezente Reife.
Noch überzeugender gelingt Gerlint Böttcher allerdings das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 in d-Moll op. 40 von Felix Mendelssohn Bartholdy in der historischen Fassung für Streichorchester von Paul Graf von Waldersee, die dem harmonischen Eindruck etwas Altertümliches verleiht, das aber keineswegs antiquiert wirkt. Der Pianistin gelingt es auch hier, den lyrischen Themen eine erstaun-liche Reife und Tiefe zu verleihen. Kraft und Schönheit des harmonischen Gewandes manifestieren sich zudem in den reizvoll perlenden Läufen. Bei den wuchtigen Themen blüht die Virtuosität immer wieder auf, das Rankenwerk wirkt immer duftiger und farbiger.
Sehr interessant ist die Begegnung mit den durchaus melodiösen Kompositionen von Günther Franz Kasseckert (1958-2017), der im Hauptberuf Psychologe war. In Nachtkrapp spürt man die Angst der Kinder vor dem großen Sagenvogel. Und auch die Marschierenden Waldameisen wirken als Programmmusik höchst lebendig. Elektrisierend erscheint dann Der Feuertanz, dessen geheimnisvolle thematische Verbindungslinien Gerlint Böttcher wirkungsvoll herausarbeitet. Und im Ring der Dunkelheit wird rhythmische Bewegung in raffinierter Weise ausgedrückt.
Am besten ist Günther Franz Kasseckert allerdings der Graf Pückler-Limpurg-Walzer in D-Dur gelungen, wo Gerlint Böttcher die rasante melodische Beweglichkeit unterstreicht. Die meisten dieser höchst interessanten und eigentlich noch tonalen Klavierstücke Kasseckerts erscheinen hier als Weltersteinspielung.
Alexander Walther