Werke von Arensky, Hindemith, Schreker und Mendelssohn
Georgisches Kammerorchester Ingolstadt, Ltg. Ruben Gazarian
Kenner der Ingolstädter Musikszene werden das Georgische Kammerorchester Ingolstadt kennen, das seit 1990 in Bayern ansässig ist und seit 2010 als nichtstaatliches Orchester vom Freistaat Bayern gefördert wird. Die vorliegende Produktion ist nicht die erste des Orchesters, und das auf den ersten Blick überraschende Programm erhält im ausführlichen Booklettext einen insgesamt überzeugenden roten Faden, der sich im interpretatorischen Konzept spiegelt – werden doch die Verbindungslinien stärker herausgearbeitet als die stilistischen Unterschiede.
Eröffnet wird das Programm mit Anton Arenskys Streichquartett a-Moll op. 35 in einer überzeugenden, an Elgar gemahnenden Fassung für Streichorchester. Der elegische Charakter des Werks spiegelt sich in der Widmung „dem Gedenken Tschaikowskys“, doch kommen auch musikalische Frische und kontrapunktische Dichte nicht zu kurz. Elegant wird der Bogen geschlagen zu Felix Mendelssohn Bartholdys Streichersinfonie Nr. 10 h-Moll, die gleichwohl nur rund ein Drittel des Umfangs des Arensky-Werks ausmacht.
Beide Werke umrahmen Paul Hindemiths Fünf Stücke op. 44 Nr. 4 für Streichorchester (die hier teilweise mehr wie Schostakowitsch denn wie Hindemith klingen) und Franz Schrekers Intermezzo und Scherzo op. 8 für Streichorchester (die in ihrer musikalischen Faktur hier fast kammermusikalischer wirken als das Arensky-Quartett) – Werke der „neuen Sachlichkeit“ einerseits, Werke der „Wiener Sensualität“ andererseits also (die hier aber eher à la Tschaikowsky emotionalisiert dargeboten werden).
Es ist überraschend, wie gut sich die vier Komponisten vertragen, wie sie – gerade durch das interpretatorische Konzept – einander fast beflügeln: Hier werden nicht Ecken und Kanten hervorgehoben, hier ist ein warmer Mischklang zentrales Interpretationskonzept; rhythmische Schärfen werden zugunsten des Gesamteindrucks zumeist zurückgenommen, während harmonische Eigenheiten genüsslich ausmusiziert werden.
Bei allem elegischen Schönklang fehlt der gesamten Produktion durch den abgemilderten rhythmischen Impuls eine wichtige Dimension – jene des wirklich Besonderen im Einzelnen. Die „Lebhaft“ überschriebenen Hindemith-Stücke verlieren von ihrem Impuls, im Schreker-Scherzo scheinen die Mendelssohn-Bezüge betont, und auch eine Unterscheidung zwischen Arensky und Schreker erübrigt sich; selbst die Mendelssohn-Sinfonie klingt wie in einer aufführungspraktischen Bearbeitung anno 1900.
Damit egalisiert man aber die Entwicklungen der Musikgeschichte, die unterschiedlichen Traditionen und den individuellen Charakter der Kompositionen und ihrer Schöpfer. Wen dieser Aspekt nicht interessiert, ist mit dieser wohlklanggesättigten Produktion eines hervorragend aufeinander abgestimmten Klangkörpers bestens
bedient.
Jürgen Schaarwächter