Strauss, Richard
Werke/Kritische Ausgabe, Serie III
Symphonien und Tondichtungen, Bd. 4, Macbeth op. 23, 2. und 3. Fassung (synoptische Edition), hg. von Stefan Schenk und Walter Werbeck
Die Werke von Richard Strauss erfreuen sich im Konzertsaal und auf den Opernbühnen großer Beliebtheit, aber die wissenschaftliche Erforschung steckt erstaunlicherweise in vielen Bereichen noch in den Anfängen. Über allem schwebt noch immer das ästhetische Verdikt von Theodor W. Adorno, in dessen Konsequenz Strauss als Verräter der Moderne galt.
Die meisten Werke von Strauss sind zwar im Druck erhältlich, aber es fehlte bisher eine Ausgabe, die die musikwissenschaftlichen und editionsphilologische Vorgaben erfüllt, wie dies Hartmut Schick im Vorwort erläutert. Die Kritische Ausgabe, ein Editionsprojekt von ca. 50 Bänden, das einen Zeitraum von 25 Jahren umfasst, soll diese Lücke endlich schließen. Unterstützt wird das Vorhaben durch ein internationales Konsortium, bestehend aus den Verlagen Dr. Richard Strauss, Boosey & Hawkes, Edition Peters Group und Schott Music.
Der nun erschienene Band, der sich der Tondichtung Macbeth op. 23 widmet und von Stefan Schenk und Walter Werbeck betreut wurde, legt nicht nur die Basis für ein weiteres spannendes Kapitel in der Strauss-Forschung, sondern liefert auch einen wichtigen Beitrag zur Rezeptionsgeschichte. Es gibt kein anderes Werk von Strauss mit einer solchen Entstehungsgenese, die zudem fast lückenlos dokumentiert ist. Aber erst durch diesen Band ist es erstmals möglich, die drei Fassungen angemessen zu vergleichen. Die Notentexte der zweiten und dritten Fassung sind synoptisch angeordnet: Die Partiturseiten stehen jeweils einander gegenüber. Die Fragmente der ersten Fassung sowie der Klavierauszug zu vier Händen der zweiten Fassung sind ebenfalls abgedruckt.
In der Einleitung liefert Walter Werbeck wichtige Informationen zu den einzelnen Fassungen. Diese fachkundige Einleitung liefert das sollte auch einmal betont werden nicht nur ein kenntnisreiches, sondern auch spannendes Leseerlebnis.
Die Tatsache, dass Quellenbestand, Quellenbeschreibung, Quellenbewertung, Editionsweise und editorische Eingriffe jeweils in einem Kapitel behandelt werden, erleichtert die Arbeit ungemein, wie auch ein kostenloses digitales Angebot, das Briefe, Rezensionen, Bilder, Liedtexte usw. umfasst. Eindrucksvoller kann man die konsequente Umsetzung einer historisch-kritischen Herangehensweise nicht dokumentieren. Einband und Papierqualität sind tadellos.
Es erscheint mir nicht unwichtig, auf den Mut der Verantwortlichen hinzuweisen, das Unterfangen dieser Gesamtausgabe in der heutigen Zeit, in der stets von Effizienz und Kostendeckung geredet wird, zu wagen. Trotz des recht hohen Preises von 280 Euro dürfte eine Kostendeckung für diesen Band nicht zu erreichen sein, aber die Synergieeffekte, wie es in der modernen Wirtschaftssprache genannt wird, dürften erheblich sein.
Michael Pitz-Grewenig


