Sergei Rachmaninoff
Werke für Violoncello und Klavier
Urtext, hg. von Daniela Macchione
Das Kammermusikschaffen von Sergei Rachmaninoff ist mit zwei Klaviertrios und einer Cellosonate im Wesentlichen umrissen. Speziell die halbstündige, viersätzige g-Moll-Sonate op. 19 wird dabei immer wieder als Meisterwerk gesehen, nicht nur, weil sie wie das ebenfalls um 1901 entstandene, populäre c-Moll-Klavierkonzert op. 18 ein Dokument der „Wiedergeburt“ des 28-jährigen Komponisten nach einer mehrjährigen Phase der Depression darstellt, sondern weil sie einen späten Höhepunkt in der Geschichte der romantischen Cellosonate markiert.
Rachmaninoff dedizierte diese Sonate dem 1859 in Moskau geborenen Cellisten Anatoli Brandoukoff, der sowohl mit Peter Tschaikowsky wie mit Rachmaninoff eng befreundet war; im Dezember 1901 spielte Brandoukoff mit Rachmaninoff am Klavier die Uraufführung der Sonate.
Bereits 1892 war der Cellist Widmungsempfänger des „Prélude“ F-Dur und der Danse orientale a-Moll gewesen, die Rachmaninoff als Opus 2 herausgab. Diese beiden Stücke ergänzen zusammen mit einem schlichten
f-Moll-„Lied“ für Cello und Klavier von 1890 die vorliegende Edition zu einer Urtext-Gesamtausgabe der Cellowerke Rachmaninoffs. (Die berühmte Vocalise op. 34 Nr. 14, häufig in Fassungen für Cello und Klavier zu hören, gehört als Bearbeitung nicht hinzu.)
Die Herausgeberin Daniela Macchione hat gewissenhaft die Quellen gegengelesen und einen ausführlichen Kommentar beigesteuert. Die in Rom und Chicago ausgebildete Musikwissenschaftlerin ist Dozentin für Musikgeschichte in L’Aquila und betreut seit Jahren die Rossini- und die Rachmaninoff-Werkausgaben beim Verlag Bärenreiter.
Das B4-Format (hier: 25,5 x 32,5 cm) der Ausgabe legt es auf bessere Lesbarkeit gegenüber der jahrzehntelang bestimmenden Edition von Gutheil / Boosey & Hawkes an. Dabei beschränkt sie sich aber nicht lediglich auf eine gegenüber A4 größere Schreibweise, sondern benutzt zusätzlich eine großzügigere Seitenaufteilung: bei der Sonate in der Regel vier statt fünf Akkoladen, oft auch eine geringere Taktzahl je Zeile (beispielsweise im anfänglichen „Allegro moderato“ mit den vielen Klavier-Sechzehnteln drei statt vier Takte). Dadurch entstehen bei der Sonate 62 Seiten Partitur gegenüber 47 Seiten der alten Ausgabe (Cellostimme: 15 gegenüber 12 Seiten). Fürchtet man als Pianist, sich dadurch ungünstigere Wendestellen im komplexen Klaviersatz einzuhandeln, so wird man angenehm enttäuscht: Hier wurde umsichtig umgebrochen, so dass die meisten Wendemanöver gut gelingen können.
Insgesamt liegt hier ein wertvoller Beitrag zur Rachmaninoff-Pflege vor, zumal auch die drei kürzeren, zugabengeeigneten Stücke vermehrt ins Blickfeld der Interpret:innen rücken dürften.
Rainer Klaas