Röntgen, Julius
Werke für Violine und Violoncello
Oliver Kipp (Violine), Katharina Troe (Violoncello)
Sinkende Produktionskosten und der ständig steigende Druck zur Differenzierung scheinen beide gleichermaßen die Veröffentlichung immer neuer Gesamtaufnahmen und Einspielungen von Nischenrepertoire zu begünstigen. Zu Zeiten, in denen Bachs Partiten und Sonaten für Violine solo und dessen Cellosuiten bereits dutzendfach mit den besten Solisten auf dem Plattenmarkt zur Verfügung stehen, kommt dann auch ein Komponist wie Julius Röntgen zu umfangreicheren diskografischen Ehren.
Röntgen, der heute wohl nur einer erweiterten Cellistengemeinde bekannt sein dürfte, hat neben dem tiefen Streichinstrument in seiner Kammermusik vor allem auch die Violine bedacht. Im Verwandten- und Freundeskreis gab es dermaßen viele auch durchaus bekannte und in herausgehobenen Positionen des Musiklebens stehende Geiger und Cellisten, dass die recht große Anzahl an Solowerken für die jeweiligen Instrumente nicht sonderlich verwundert. Und wenn Julius Röntgen dann an ein paar Stellen dieser (für spätromantische Verhältnisse) meist recht knapp gehaltenen Stücken über das rein Epigonen- oder Etüdenhafte hinausgeht, mag das vielleicht an eben jenen inspirierenden Widmungsträgern liegen.
Vieles indes vermag nicht zu halten, was das übergroße musikalische Vorbild in vielen Fällen eben Johann Sebastian Bach verspricht. Die je drei Suiten und Sonaten für Violine solo op. 86 sind zwar durchaus barock-klar konturiert und überzeugend in der Linienführung, es mangelt ihnen jedoch bisweilen an musikalischem Feuer oder, gemessen am Entstehungsjahr 1921, einer moderneren Tonsprache. Etwas überzeugender und weniger akademisch, weil deutlich prononcierter in der musikalischen Sprache erscheinen die Werke für Solovioloncello. Hier findet Julius Röntgen auch durchaus einmal zu größeren Formen und klanglich und harmonisch originelleren Lösungen. Die beiden Rhapsodien über Amerikanische Negro-Songs in sehr freier Anlage und mit je gut zehn Minuten Spieldauer seien hierfür als Beispiele genannt.
Oliver Kipp (Violine) und Katharina Troe (Violoncello) haben Röntgens Werke für die vorliegende CD-Box von Thorofon äußerst präzise und differenziert eingespielt. Auch an der den Streicherklang sehr natürlich und räumlich präsent einfangenden Tontechnik und dem ausführlichen Begleitheft ist nicht das Geringste auszusetzen. Und wenn Oliver Kipp und Katharina Troe dann nach den etwas enzyklopädisch wirkenden Zusammenstellungen der ersten beiden CDs auf der dritten gemeinsame instrumentale Sache machen, kommt der Hörer mit einer viersätzigen Sonate für Geige und Cello und einer Variationenreihe für dieselbe Besetzung noch in den Genuss zweier sehr wohl vorzeigbarer kammermusikalischer Miniaturen.
Daniel Knödler