Genzmer, Harald

Werke für Flöte, Viola und Harfe

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorofon CTH 2588
erschienen in: das Orchester 09/2012 , Seite 75

Diese CD sollte eine Hommage zu seinem 100. Geburtstag werden, den der im Dezember 2007 verstorbene Komponist dann doch nicht mehr erleben durfte – er hätte sich sehr darüber gefreut. Bis zuletzt mit Vitalität, Offenheit und Neugier nach allen Seiten – Atonalität ausgenommen, die ihm nicht zugänglich war – fand er, den Einfluss seines Lehrers Hindemith nicht leugnend, einen eigenen Weg und wurde zu einem die Musik des 20. Jahrhunderts wesentlich prägenden Komponisten.
Polarisierend sagte Genzmer einmal, Hindemith sei „Linie“, er selbst dagegen „Klang“. Der beste Beweis dafür sind seine Kompositionen für fast alle Gattungen, Besetzungen und Instrumente, die kürzlich von Marcus Faul (Mainz 2011) in einem Werkverzeichnis dokumentiert wurden. Auch die Flötenliteratur erhielt in den vergangenen Jahren noch eine Solosonate und eine mit Klavier, und schließlich eine sehr berührende Fantasie des Abschieds, ebenfalls für Flöte und Klavier.
Durch seine Freundschaft mit der Harfenistin Helga Storck und dem Flötisten Gustav Scheck hatte der Klarinettist und Bratscher Harald Genzmer einen biografischen Bezug zu der Besetzung Harfe, Viola und Flöte. Die drei Musiker des 2005 gegründeten Trio Charolca (Charlotte Balzereit, Harfe; Roland Glassl, Viola; Anne-Cathérine Heinzmann, Flöte) bieten mit ihrer perfekten und lebendigen Einspielung einen Querschnitt durch Genzmers Kammermusik, der die Qualitäten dieses Komponisten eindringlich zur Wirkung bringt.
Weil das Trio für Flöte, Viola und Harfe (1947) Genzmers einzige Komposition für die komplette Besetzung ist, wurde es mit der Sonate für Viola solo (1957), der Fantasie für Harfe (1968), der Solosonate für Flöte (1999) und der Sonate für Flöte und Harfe (1990) kombiniert. Den Vergleich mit Debussys Sonate, dem ersten und zugleich prominentesten Stück für diese Besetzung, besteht dieses Trio derart, dass es den Brennpunkt des Programms bildet, um den gruppiert die drei Solostücke und das Duo ihre eigene Wirkung entfalten können. Erstaunlich, wie sehr sich diese Musik durch französische Qualitäten auszeichnet, wie sie durch Klangfarbenbeherrschung und Virtuosität unmittelbar gefangen nimmt.
Im Duo mit Flöte lässt der Klang der Harfe, gezupft zwar, aber lange nachklingend, den Flötenklang geradezu schweben, und bei der Fantasie für Harfe wird man kaum entscheiden können, ob besser komponiert oder besser gespielt wurde. Die Solosonate der Flöte, zu Beginn wie improvisiert wirkend, verbindet im weiteren Verlauf abwechslungsreich Beweglichkeit und Ausdrucksmöglichkeiten der Flöte. In der Sonate für Viola kann Genzmer dann die Möglichkeiten eines Streichinstruments nutzen, die mehr dramatischen Ausdruck erlauben; der dritte Satz ist ein faszinierendes Perpetuum mobile, rhapsodisch das Finale. Alles in allem sehr gute Musik sehr gut gespielt, die man nur loben und von der man gar nicht
genug haben kann.
Ursula Pešek