Chopin, Frédéric
Werke für Cello und Klavier
Das anmutige Largo aus der g-Moll-Sonate op. 65 ist vielleicht die innigste, intimste Musik, die Frédéric Chopin für Klavier und Cello geschrieben hat. David Geringas spielt seine Kantilene nicht nur wie andere große Kollegen sehr sanft und gefühlvoll mit warmen Farben, sondern auch mit einer besonderen Introvertiertheit und Eleganz, die dem Charakter dieses Satzes zugute kommt. Der intime Klang seines Instruments kommt ihm dabei sehr entgegen, und auch sein Klavierpartner Ian Fountain sorgt mit seiner subtilen Pianokultur dafür, dass alles wie aus einem Guss wirkt.
Chopin schrieb diese Sonate, die wie die beiden Brahms-Sonaten für Klavier und Violoncello dem Pianisten den Hauptpart zuweist, in den Jahren 1845 und 1846. Mit der Vollendung tat sich der polnische Romantiker schwer: Bei seinem letzten öffentlichen Konzert anno 1848 mit dem befreundeten französischen Cellisten Auguste-Joseph Franchomme ließ er den ersten Satz, das Allegro moderato, aus. Aus persönlichen Gründen, wie einige Musikwissenschaftler vermuten (kurz zuvor war Chopins Beziehung zu George Sand zerbrochen). Dieser Satz ist wie das Largo von langen Melodiebögen bestimmt, fordert beide Interpreten aber auch als Virtuosen heraus. Mit graziler Leichtigkeit meistern Geringas und Fountain ihre raschen Tonfolgen. Franchomme, der wie viele berühmte Streicher des 19. Jahrhunderts neben seiner Solistentätigkeit komponierte, schrieb vermutlich auch den Cellopart zu Chopins Grand Duo concertant, in das Themen aus der erfolgreichen Oper Robert le Diable von Giacomo Meyerbeer einflossen.
Das Tolle an dieser Einspielung ist, dass man dem mittlerweile 64-jährigen Weltklassecellisten Geringas nicht anmerkt, dass er diese Stücke schon unzählige Male gespielt hat. So besitzen seine Interpretationen auch all das, was man gemeinhin den jugendlichen Heißspornen seiner Schülergenerationen attestiert: Frische, Schwung, Vitalität. Besonders hörbar wird das bei der Introduktion und Polonaise brillante op. 3, ein besonders hochvirtuoses Stück, dessen Klavierpart so anspruchsvoll ist wie viele von Chopins Klavierstücken, wenngleich auch seine späteren großen Polonaisen nicht ganz so leicht daherkommen.
Mit Chopins schmalem Originalrepertoire für sein Instrument wollte sich David Geringas jedoch nicht begnügen. So fügt er auf seiner CD noch einige Lieder hinzu, die er selbst für Cello und Klavier bearbeitet hat. Es sind sieben der insgesamt 19 Lieder op. 74 für Singstimme und Klavier. Die charakterlich sehr unterschiedlichen Stücke erinnern in ihrer Schlichtheit an die Klavierstücke aus Robert Schumanns Album für die Jugend.
Solche bislang ungehörten, reizvollen Liedbearbeitungen erweisen sich als kostbare Entdeckungen einige technisch nicht allzu anspruchsvolle darunter auch als Anregung für den begeisterten Amateurcellisten. David Geringas und Ian Fountain, die gemeinsam schon viele Konzerte bestritten und etwa auch sämtliche Beethoven-Sonaten für Violoncello und Klavier eingespielt haben, erweisen sich dabei einmal mehr als ideale Partner. Technische Meisterschaft, Sensibilität im Zusammenspiel, stilistische Vielfalt und musikalische Reife zeichnen dieses homogene Duo aus und machen ihre Chopin-CD somit rundum zu einer Empfehlung.
Kirsten Liese