Heinen, Andreas

Wer will das noch hören?

Besucherstrukturen bei niedersächsischen Sinfonieorchestern

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Springer, Wiesbaden 2013
erschienen in: das Orchester 05/2013 , Seite 66

„Wer will das noch hören?“ Diese Frage interessiert jeden, der mit Musik zu tun hat, Instrumentallehrer ebenso wie Orchestermusiker, Produzenten von Tonträgern und die erklärte Zielgruppe dieser vorliegenden Forschungsarbeit, neben Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlern mit Schwerpunkt Musik eher „Praktiker aus dem Orchester- und Konzertmanagement“ . Fehlt diesen das Publikum, fehlt ihnen die Existenzberechtigung. Auch in Deutschland, dem Land mit der im Verhältnis zur Einwohnerzahl weltweit größten Orchesterdichte, wird diese Frage immer wichtiger. Den Konzertveranstaltern fehlt der Besuchernachwuchs, nur mit hohem „Education“-Aufwand sind jüngere Besucher in die Konzerthallen (oder noch besser: alternative Spielstätten wie Werkshallen und U-Bahnhöfe) zu locken. Soll diese einzigartige Orchesterlandschaft weiterhin berechtigt Bestand haben, muss es einen Weg geben, bisher nicht interessierte Bevölkerungsgruppen für die Konzerte zu interessieren und zu deren Besuch zu animieren sowie bereits interessiertes Publikum „bei der Stange“ zu halten.
Hier setzt die Forschungsarbeit von Andreas Heinen an: Man muss die Bedürfnisse seines Publikums kennen, um daran die Planung auszurichten, um nicht ins Leere (also auch in leere Kassen) zu planen. Ein sehr umfangreicher Fragebogen, übernommen aus der amerikanischen Knight-Studie von 2002, wurde im April und Mai 2009 nach den Konzerten aller niedersächsischen Orchester an die Besucher verteilt, Ende der Aktion war der Dezember desselben Jahres. Die 2941 bis dahin eingegangenen Antworten sind die Basis dieser unglaublich umfangreichen und aufschlussreichen Untersuchung.
Von der Analyse der Besuchertypen nach verschiedenen Modellen (nach Adorno, nach Schulze) über die Publikumspräferenzen bei Komponisten nach Orten bis hin zur Ermittlung des Verkehrsmittels zum Konzertort ist alles erfragt worden. Es mag sein, dass der eine oder andere anmerkt, diese Studie würde sich nur auf das Gebiet Niedersachsens beziehen, immerhin ein Agrarland, aber hilfreich sind die Ergebnisse allemal. Und sei es nur, um selbst eine derartige Studie in Angriff zu nehmen. Vielleicht sogar mit Unterstützung des Autors, der an der Leuphana Universität Lüneburg im Schwerpunkt der Besucherforschung lehrt?
Der Bemerkung des Autors, „Orchester-Neugründungen sind derzeit nicht zu erwarten“, möchte ich hier allerdings vehement widersprechen, gibt es doch zahlreiche Ensembles, die den Sprung in eine nicht staatlich geförderte Selbstständigkeit wagen. Nur sind die Modelle häufig andere als die alten, uns vertrauten. Aber es gibt sie!
Sibylle Wähnert