Birgit Lodes/ Melanie Unseld/ Susana Zapke
Wer war Ludwig van? Drei Denkanstöße
Noch ein Buch über Beethoven im inzwischen zu Ende gegangenen Beethoven-Jahr, aber wenigstens ein kleines, kurzes – und ein besonderes. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Frauen, Wissenschaftlerinnen, sich über den großen Ludwig van einen Kopf machen.
Doch der Reihe nach. Das in sattdunklem Lila gebundene Büchlein geht aus den „Wiener Vorlesungen“ hervor, eine Veranstaltung im Rathaus der österreichischen Hauptstadt, in der sich die Wissenschaft zum Volk begibt, sprich: die Professoren der ehrwürdigen Wiener Universitäten sich in verständlicher Sprache zu den Themen der Zeit äußern. Seit über 30 Jahren feiert sich so die Stadt selbst ob ihrer Bedeutung als Wissenschaftsstandort. Neuerdings will die Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronica Kaup-Hasler, die Wissenschaft und auch die „Wiener Vorlesungen“ ein bisschen weiblicher machen.
Die drei hier versammelten Autorinnen sind Historische Musikwissenschaftlerinnen, was sich bei Weitem trockener anhört als es sich dann liest. Birgit Lodes etwa, Professorin an der Uni Wien, fragt seit vielen Jahren in ihren Forschungen, was eigentlich dran ist an den Klischees von Beethoven als erstem freien Musiker und einsamem, skurrilem Eigenbrötler. Und findet in ihrem Aufsatz „Beethoven am Hof und im Salon“ kenntnisreich und unterhaltsam heraus, dass der große Ludwig van nicht nur eng mit dem Adel verbandelt, sondern auch ein spontaner, vifer Kommunikator gewesen sein muss, der geschickt und durchaus geschäftstüchtig auf die Vorlieben seiner Kunden und Zeitgenossen einzugehen verstand. Unter anderem seine Widmungspraxis gibt darüber beredt Auskunft.
Melanie Unseld ist Lodes Kollegin an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Ihr Aufsatz zeigt auf, wie Beethoven-Bilder, Narrative entstehen, denn schon zu Lebzeiten beflügelten seine Werke die Fantasie der Zeitgenossen. Vom Unkonventionellen der Musik zur Idee eines verschrobenen und einsamen Künstlers war es da nicht weit. Anekdoten taten ihr Übriges zur Herausbildung eines Bildes, dem erst in unseren Tagen die Forschung und auch die Kunst widerspricht: Am Wiener Beethovenplatz stehen sich ein biedermeierliches Beethoven-Denkmal und die Beethoven-Skulptur von Markus Lüpertz seit drei Jahren gegenüber, jüngst lächelte Beethoven sogar – vom Titel eines deutschen Wochenmagazins. Es komme eben auf die Perspektive an.
Ein wenig sperrig, gleichwohl spannend, lässt sich Susana Zapke über das Thema „Zur Versinnbildlichung von Musik und ihrer Wirkungsmacht“ aus. Zapke bekleidet das identische Amt der Kolleginnen an der Wiener Musik und Kunst Privatuniversität. Sie untersucht Beethoven-Porträts und allegorische Bildnisse zu ausgewählten Werken auf ihre Syntax und kommt zu teils erstaunlichen Erkenntnissen. Sollte, so schließt sie, unsere Zeit nicht imstand sein, dem überkommenen Beethoven-Bild ein eigens entgegenzusetzen, werde Beethoven uns abhandenkommen. Unabdingbar sei ebenfalls die Erweiterung des Kanons seiner bekannten Werke.
Armin Kaumanns