Birgit Lodes/ Melanie Unseld/ Susana Zapke

Wer war Ludwig van? Drei Denkanstöße

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Picus
erschienen in: das Orchester 03/2021 , Seite 63

Noch ein Buch über Beethoven im inzwischen zu Ende gegangenen Beethoven-Jahr, aber wenigstens ein kleines, kurzes – und ein beson­deres. Das hat unter anderem damit zu tun, dass Frauen, Wissenschaft­lerinnen, sich über den großen Lud­wig van einen Kopf machen.
Doch der Reihe nach. Das in sattdunklem Lila gebundene Büch­lein geht aus den „Wiener Vorlesungen“ hervor, eine Veranstaltung im Rathaus der österreichischen Hauptstadt, in der sich die Wissenschaft zum Volk begibt, sprich: die Professoren der ehrwürdigen Wiener Universitäten sich in verständlicher Sprache zu den Themen der Zeit äußern. Seit über 30 Jahren feiert sich so die Stadt selbst ob ihrer Bedeutung als Wissenschaftsstandort. Neuerdings will die Stadträtin für Kultur und Wissenschaft, Veronica Kaup-Has­ler, die Wissenschaft und auch die „Wiener Vorlesungen“ ein bisschen weiblicher machen.
Die drei hier versammelten Au­torinnen sind Historische Musik­wissenschaftlerinnen, was sich bei Weitem trockener anhört als es sich dann liest. Birgit Lodes etwa, Pro­fessorin an der Uni Wien, fragt seit vielen Jahren in ihren Forschungen, was eigentlich dran ist an den Kli­schees von Beethoven als erstem freien Musiker und einsamem, skurrilem Eigenbrötler. Und findet in ihrem Aufsatz „Beethoven am Hof und im Salon“ kenntnisreich und unterhaltsam heraus, dass der große Ludwig van nicht nur eng mit dem Adel verbandelt, sondern auch ein spontaner, vifer Kommunikator gewesen sein muss, der geschickt und durchaus geschäftstüchtig auf die Vorlieben seiner Kunden und Zeitgenossen einzugehen verstand. Unter anderem seine Widmungs­praxis gibt darüber beredt Auskunft.
Melanie Unseld ist Lodes Kollegin an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Ihr Aufsatz zeigt auf, wie Beetho­ven-Bilder, Narrative entstehen, denn schon zu Lebzeiten beflügel­ten seine Werke die Fantasie der Zeitgenossen. Vom Unkonventio­nellen der Musik zur Idee eines ver­schrobenen und einsamen Künst­lers war es da nicht weit. Anekdoten taten ihr Übriges zur Herausbil­dung eines Bildes, dem erst in unse­ren Tagen die Forschung und auch die Kunst widerspricht: Am Wiener Beethovenplatz stehen sich ein bie­dermeierliches Beethoven-Denkmal und die Beethoven-Skulptur von Markus Lüpertz seit drei Jahren ge­genüber, jüngst lächelte Beethoven sogar – vom Titel eines deutschen Wochenmagazins. Es komme eben auf die Perspektive an.
Ein wenig sperrig, gleichwohl spannend, lässt sich Susana Zapke über das Thema „Zur Versinnbild­lichung von Musik und ihrer Wir­kungsmacht“ aus. Zapke bekleidet das identische Amt der Kolleginnen an der Wiener Musik und Kunst Privatuniversität. Sie untersucht Beethoven-Porträts und allegori­sche Bildnisse zu ausgewählten Werken auf ihre Syntax und kommt zu teils erstaunlichen Erkenntnis­sen. Sollte, so schließt sie, unsere Zeit nicht imstand sein, dem über­kommenen Beethoven-Bild ein ei­gens entgegenzusetzen, werde Beet­hoven uns abhandenkommen. Un­abdingbar sei ebenfalls die Erweite­rung des Kanons seiner bekannten Werke.
Armin Kaumanns