Wenn Engel musizieren
Musikinstrumente von 1594 im Freiberger Dom
Die Doppel-CD Wenn Engel musizieren ist die klingende Ergänzung zum gleichnamigen Buch (siehe Rezension in Das Orchester 6/05, S. 71 f.). Der reich bebilderte Band beschreibt dreißig Engelsinstrumente aus dem Freiberger Dom, die nun auf zwei CDs in geistlicher und weltlicher Musik zu hören sind. Im Rahmen eines Forschungsprojekts des Museums für Musikinstrumente der Universität Leipzig werden diese Instrumente untersucht, 21 davon sind spielfähig bzw. unfertig, aber zum späteren Spiel vorgesehen. 2003 und 2004 entstanden Nachbauten der Instrumente, zu denen u.a. Laute, Cister, Harfe, Schalmei, Posaune, gerader und krummer Zink gehören.
Der Aufnahme ging eine intensive musikwissenschaftliche Forschung voraus, und das Ensemble Musica Freybergensis, bestehend aus international anerkannten Spezialisten, wurde eigens dafür gegründet, den Klang und die Spielweise der typischen Renaissanceinstrumente zu erproben. Innerhalb eines Jahres fanden verschiedene Konzerte statt, um den Musikern Gelegenheit zu geben, die Instrumente einzuspielen und deren Möglichkeiten zu entdecken. Die von den Blasinstrumenten ausgehende Stimmtonhöhe liegt um a’ = 466 Hz.
Mit Instrumental- und Vokalmusik werden die Vorstellungen der Spätrenaissance von Ebenmaß und Gleichgewicht in Form und Klang ausdrucksstark hörbar gemacht. Auf CD erklingt erstmals die von Hofkapellmeister Antonio Scandello komponierte Gedenkmesse für Kurfürst Moritz von Sachsen, dessen Grabstätte sich im Freiberger Dom befindet. Teilweise instrumental besetzte Motetten von Giovanni Battista Pinello, dem Nachfolger Scandellos im Hofkapellmeisteramt, unterbrechen die Abfolge der fünf Messesätze, die der Aufführungspraxis der Zeit entsprechend vokal-instrumental gemischt musiziert werden. Dresden war damals Mittelpunkt der sächsischen Musikkultur: Orlando di Lasso wurde das sächsische Hofkapellmeisteramt angeboten, aber er lehnte ab, Leonhard Lechner bewarb sich erfolglos um den Posten und Hans Leo Hassler war in Dresden eine Zeit lang Kammerorganist.
Ihre vielstimmigen Werke vermitteln eine lebendige Klangvorstellung der Musizierpraxis um 1600. Auch Triangel und Cister, die häufig von Bergleuten gespielt wurden, sind in der Vertonung des 149./150. Psalms Laudate Dominum von Leonhard Lechner zu hören. An der Triangel sind Ringe befestigt, die während des Schlagens klirren. Das daraus entstehende Schwirren ist gewollt, der klangliche Effekt ist mit den seit dem Mittelalter gebräuchlichen Glockenrädern verwandt. Der obertonreiche, schwirrende Klang ist auch auf der zweiten CD markant. Weltliche Lieder und Tänze geben einen Eindruck bürgerlicher und höfischer Musizierpraxis. Als weitere klangliche Besonderheiten ist die Bespannung der Laute mit Metallsaiten zu erwähnen, wie es auch bei Praetorius nachgewiesen ist. Die krummen Zinken haben aufgrund der weiten Mensur ein dynamisch großes Spektrum in der Tiefe. Die Mundstücke der Tenorposaunen stehen noch in der Trompetentradition. Durch ein erweitertes Stengelloch ist ihnen an Klangschärfe genommen, ihr Klang jedoch ist deutlich strahlender als der von frühbarocken Posaunenmundstücken.
Die SACD ermöglicht auch eine räumliche Wiedergabe dieses nie zuvor gehörten Klangbildes. Virtuose Musikalität und eine äußerst gelungene klangliche Realisation machen die Doppel-CD zu einem wirklichen Hörgenuss.
Juliane Bally