Campbell, John Allison

Wellenlängen

Essays zu zeitgenössischer Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Frieling, Berlin 2011
erschienen in: das Orchester 04/2012 , Seite 62

Die vorliegenden sechs Essays des in Berlin lebenden amerikanischen Komponisten John Allison Campbell sind in den Jahren 1997 bis 2009 entstanden und chronologisch nach ihrer Entstehung geordnet, ohne dass sich daraus jedoch die Notwendigkeit ableiten lässt, sie auch in dieser Reihenfolge lesen zu müssen. Er beschäftigt sich mit unterschiedlichen Themen, die wohl auch teilweise in zeitlicher Nähe zu seinem kompositorischen Œuvre stehen. Beginnend mit grundlegenden „Gedanken über das Komponieren“ folgen ebenso persönliche Reflexionen und Betrachtungen zu den Themen „Symphonische Komposition“, „Arvo Pärt“, „Das Lied“, „Die Sonatenform“ und „Musik für die Kirche“. Im Anhang findet sich abschließend ein Artikel, der bereits 1994 in der Zeitschrift Neue Berlinische Musikzeitung (Heft 2) erschienen ist und in dem Campbell seine Gedanken und Fragen zur Rezeption von U- und E-Musik ausbreitet sowie Wechselwirkungen zwischen beiden aufzeigt.
Im ersten Essay formuliert der Autor einige persönliche sowie auch ­allgemeine Ansichten und Gedanken über Themen wie Komponieren, Avantgarde, Ästhetik, Kultur und Publikum, die wohl jedem Kunstschaffenden nicht neu sein dürften, die aber hier in ihrer lockeren und unaufdringlichen Form erfrischend und lebendig wirken und somit nicht nur dem Laien-Leser Denkanstöße geben. Dies gilt auch für seine (pädagogische) Anregung, ein Förderungssystem so zu gestalten, dass eine individuelle Entwicklung angehender Künstler ermöglicht wird, ohne dass sie dem Druck ausgesetzt sind, sich einer „Avantgarde“ anschließen zu müssen.
In den Essays über musikalische Gattungen und Formen geht es Campbell immer wieder um Merkmale und Eigenschaften wie Einmaligkeit, Musterhaftigkeit und ebenso die Authentizität des Komponisten. Sie sind für ihn ein wesentliches Kriterium für den schöpferischen Umgang mit Musik, genau so, wie auch die Auswahl eines geeigneten Textes mit den verschiedensten Eigenschaften für die musikalische Vertonung von zentraler Bedeutung ist oder aber auch die unterschiedlichen Merkmale der Sonatenform in Verbindung mit Konzepten der zeitgenössischen Musik eine bedeutsame Rolle spielen.
Campbell formuliert seine Gedanken jederzeit verständlich und ausdrucksvoll, fern jeder Beckmesserei, sodass seine im Vorwort beschriebene Absicht, eine breite Leserschaft erreichen zu wollen, mühelos gelingen sollte. Eine empfehlenswerte Lektüre für alle, die hinter der Musik den Komponisten und seine Gedankenwelt suchen, um sich von dem Entstehungsprozess von Musik im 20./21. Jahrhundert ein Gesamtbild machen zu ­können. Hierzu gehört dann aber auch neben der Lektüre dieses Buchs
die Beschäftigung mit Campbells Kompositionen (Orchester-, Kammer-, Chormusik sowie Oper und Lied), von denen auch CD-Einspielungen vorliegen.
Romald Fischer