Bach, Johann Sebastian

Weihnachtsoratorium Highlights

Thomaner Paul Bernewitz/ Friedrich Praetorius (Sopran), Ingeborg Danz (Alt), Martin Petzold (Tenor), Panajotis Iconomou (Bass), Thomanerchor Leipzig, Gewandhausorchester, Ltg. Georg Christoph Biller

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Rondeau Produktion ROP4042
erschienen in: das Orchester 03/2015 , Seite 77

Bachs Weihnachtsoratorium trat mit seiner ersten Wiederaufführung durch die Berliner Singakademie im Jahr 1857 vergleichsweise spät an die Öffentlichkeit und fand zunächst nur zögerliche Verbreitung. Dies lag gewiss an der Schwierigkeit, die Bläserpartien, vor allem die hohen Trompeten, adäquat zu besetzen. Dazu kamen Vorbehalte gegen Bachs Parodieverfahren, das nur schwer mit der romantischen Vorstellung von künstlerischer Originalität vereinbar war. Die Sorgfalt, mit der Bach die Musik den veränderten Erfordernissen angepasst hatte, wurde lange übersehen. Auch die Länge des Zyklus, den Bach für sechs aufeinanderfolgende Feiertage bestimmt hatte, war ein Hindernis. Erst das Aufkommen der Langspielplatte sowie die zunehmende Verfügbarkeit geeigneter Instrumente, deren Spieltechniken teils erst wieder neu erworben werden mussten, bewirkten eine Wende, die uns bis heute eine unübersehbare Fülle von Einspielungen beschert hat.
Wenn nun eine CD mit dem Titel „Highlights“ auf dem Markt erscheint, mag man die Frage stellen, welchen Zweck dies verfolgt, zumal es sich um den Querschnitt einer Gesamtaufnahme vom Dezember 2009 handelt, die auf zwei CDs erhältlich ist. Ist eine solche Kurzfassung dem Werk und der Interpretation angemessen?
Die vorliegende Aufnahme basiert auf Konzertmitschnitten aus der Thomaskirche, die von der Technik mit Studioaufnahmen in höchster Perfektion zusammengeschnitten wurden. Die Thomaner präsentieren sich in allerbester Verfassung, und das Gewandhausorchester zeigt mit sparsam dosiertem Vibrato, sorgfältiger Phrasierung und Artikulation seine stilistische Kompetenz. Die beiden jungen Thomaner singen ihre Solopartien außerordentlich klar und intonationsrein. Im Ensemble mit den anderen Gesangssolisten sind der Homogenität natürliche Grenzen gesetzt. Dies zeigt sich beispielsweise in dem Duett „Herr, dein Mitleid“, wo Panajotis Iconomou seine ansonsten kraftvoll-dunkle Bassstimme merklich zurückhält. Ingeborg Danz trifft den lyrischen Charakter ihrer Arien in idealer Weise, was besonders der Arie „Schlafe, mein Liebster“ zugute kommt. Martin Petzold bringt ein breites Spektrum an Ausdruckswerten in die Evangelistenpartie ein – und schießt vielleicht manchmal ein wenig über das Ziel hinaus. Christoph Genz, dessen Tenorarien auf dieser CD nicht vertreten sind, übt hier mehr Zurückhaltung.
Biller wählt meist zügige Tempi, ohne bei schnellen Sätzen in Extreme zu fallen. Vorhalte lässt er oft sehr lang ausführen, was hier aber niemals manieriert wirkt. Entgegen der vielfach geübten Praxis werden in den Secco-Rezitativen die langen Bassnoten dezent ausgehalten und die Akkorde kurz angeschlagen, was die oft kühnen harmonischen Wendungen deutlich hervortreten lässt und obendrein Bachs sorgfältige Bezifferung respektiert. Diese Art der Begleitung wurde schon früher gelegentlich erprobt, hier gelingt im Zusammenwirken der verschiedenen Continuoinstrumente eine vollends befriedigende Balance.
Eine so gelungene Einspielung hat es nicht verdient, zerstückelt zu werden.
Jürgen Hinz