Heidi Brandi

Warum Leistungsmusik?

Über mentale Gesundheit im Profisport und in der Berufsmusik

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: das Orchester 1/2022 , Seite 28

Druck und innere Kämpfe gehören in den Profibereich sowohl von Sport als auch von Musik. Warum wird Leistungssport so anerkennend in der Gesellschaft aufgenommen und warum ist die Leistungsmusik viel weniger präsent?

Der Begriff der Leistungsmusik kommt in der Regel einem Berufsmusiker nicht über die Lippen. Der Musiker versteht sich als Künstler, der Höchstleistungen vollbringen muss. Dabei soll seine Performance abrufbar sein und mit einem gewissen Maß an Leichtigkeit – zumindest nach außen hin – zur Verfügung stehen. Er sollte Selbstsicherheit ausstrahlen, sodass sein Einsatz mühelos und selbstverständlich wirkt. Aber ernsthaft muss es auch sein; Allüren wirken schnell überzogen und werden entsprechend in den Kritiken aufgenommen.
An Spitzensportler werden ähnliche Anforderungen gestellt: die spielerische Performance einer Turnerin, die sich mühelos am Barren dreht und streckt – immer mit einem Lächeln und einer eleganten Verbeugung am Schluss. Simone Biles bricht in Tokio das Mannschaftsfinale ab, weil sie „mit ihrem Kopf“ kämpft, und so nutzt die Konkurrentin die Gunst der Stunde.
Im Leistungssport geht man intensiv von der Prävention aus, um eine Leistungssteigerung zu erwirken. Neben den motorischen Fertigkeiten und Abläufen wird schon in jungen Jahren Wert auf mentale Gesundheit gelegt. Warum passiert dies nicht im Musikbereich? Es ist sehr ernüchternd, wie gering die mentale Kompetenz bei Musikstudentinnen und -studenten an deutschen Hochschulen ausgebildet ist. Zumal mentale Herausforderungen und Schwierigkeiten jeden Musiker betreffen können.
Was ist übertragbar aus der Sportpsychologie auf den musikalischen Ausbildungsweg? Jürgen Beckmann und Ann-Marie Elbe konn­ten bereits vor zwölf Jahren eine systematische Struktur der sport­psychologischen Praxis entwickeln. Dieses Grundgerüst sportpsycholo­gischer Maß­nahmen des mentalen Trainings wurde neben der Belas­tungs-Er­holungskompetenz mein Untersuchungsgegenstand für die Über­tragbarkeit in die Leistungsmusik (siehe Grafik). Was sind die Gemein­samkeiten und Unterschiede in Musik und Sport? Und ins­beson­dere: Welche Werkzeuge stehen beiden Leistungsgruppen zur Ver­fügung, um mit ihren spezifischen Belastungsfaktoren umzugehen?

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2022.