Ulrike Schwanse
„Wann gehen wir wieder ins Familienkonzert?“
Eine empirische Längsschnittstudie über die Erfolgsfaktoren einer langfristigen Kooperation von Konzertveranstaltern und Grundschulen
Nein, der Titel des Buches ist nicht die Frage eines durch den Corona-Lockdown unter Konzertentzug leidenden Kindes. Er ist vielmehr die Quintessenz langjähriger intensiver Forschungsarbeit. Seit über 20 Jahren befasst sich Ulrike Schwanse mit der Konzeption und der Wirkung von Familienkonzerten. Nach ihrer Dissertation aus dem Jahr 2003 hat sie die Ergebnisse ihrer zwölfjährigen Forschungsarbeit zum Gegenstand ihrer Habilitation an der Universität Münster gemacht. Wesentliche Erkenntnisse ihrer Studien veröffentlichte die Autorin bereits im Oktober-Heft 2020 dieser Zeitschrift (S. 28 ff.).
Es lohnt sich aber, die gesamte Publikation in die Hand zu nehmen. Vor allem dann, wenn man in einem Opern- oder Konzerthaus, in einer Rundfunkanstalt oder bei einem Orchester für Dramaturgie, Musikvermittlung oder in der künstlerischen Leitung tätig ist.
In den vergangenen 20 Jahren haben sich musikpädagogische Angebote von Orchestern quantitativ und qualitativ massiv entwickelt. Und das ist auch gut so. Dennoch ist der Erfolg von Vermittlungsarbeit, vor allem für Kinder im Grundschulalter, von vielen Faktoren abhängig. Welche das im Einzelnen sind, darüber liefert das Buch wesentliche Erkenntnisse, die die qualitative Weiterentwicklung von Konzert- und Vermittlungsangeboten für Familien und Grundschulen gewiss vorantreiben werden.
Nach einer Erläuterung der grundsätzlichen Problemstellung der Musikvermittlung und der Entwicklung des Konzertpublikums erläutert die Autorin ihr Forschungsdesign, welches sie unter mehrjähriger Betrachtung von Familienkonzerten in Mühlheim und Essen in der Praxis umgesetzt hat. Eine wichtige Rolle spielen hierbei wiederholte Befragungen von Grundschulleitern und Lehrkräften, die Auswertungen von Besucherzahlen, Kartenbestellungen durch Schulen, Anmeldungen zu Lehrerfortbildungen, Vorbereitungen der Schüler im Unterricht, Resonanz von Schülern und Eltern auf Konzertbesuche und viele weitere Aspekte.
Als wissenschaftliche Arbeit ist das Buch naturgemäß sehr systematisch aufgebaut und gegliedert, aber keinesfalls ermüdend bei der Lektüre. Erkenntnisse aus den Befragungen sind in verschiedenen Grafikformaten dargestellt, besonders aussagekräftige Statements von Lehrern, Schülern und Eltern in grau unterlegten Kästen optisch ansprechend hervorgehoben.
Zusammenfassend wird deutlich, welche besondere Rolle die zielgerichtete Zusammenarbeit zwischen Grundschulen und Konzertveranstaltern für eine nachhaltige Entwicklung des Konzert- und Opernpublikums hat. Gute Vermittlungsarbeit kann junge Menschen für ihr weiteres Leben prägen und zu einer lebenslangen Affinität zu klassischer Musik führen. Uneingeschränkte Leseempfehlung!
Gerald Mertens