Will Humburg

Wagners Rheingold

Eine Deutung von Leitmotivik und Orchestration

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Königshausen & Neumann
erschienen in: das Orchester 02/2022 , Seite 62

Der Dirigent Will Humburg hat sein umfangreiches Buch über Richard Wagners „Vorabend“ zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen mit einer Liste der für das Verständnis wichtigen Leitmotive ergänzt. Wichtig ist ihm nicht, was im Rheingold musikalisch passiert, sondern warum es so und nicht anders komponiert wurde. Dies ist ein neuartiger Ansatz und macht das Buch lesenswert.
Eine zentrale Stellung nimmt dabei der Auftritt Alberichs ein und hier besonders die Jagd Alberichs nach den Rheintöchtern, gipfelnd im Raub des Rheingolds. Im Moment des Liebesfluchs erklingen in geheimnisvoller Weise die Tuben. Überhaupt ist es das große Verdienst dieses Buches, die Klangfarben in Wagners Rheingold neu zu untersuchen und zu definieren. Dafür arbeitet Humburg nicht nur die Bedeutung der Leitklangfarben, sondern auch der Zahlensymbolik minutiös heraus. So erfährt man beispielsweise, dass für die Figuren Wotan, Loge, Erda, Hunding, Brünnhilde, Siegfried, Waldvogel und Hagen die Singularität der Zahl 1 gilt. Ein allwissendes Orchester wird durch den Kontrabass als tiefstes Instrument ergänzt.
Noch interessanter sind in Humburgs Darstellung die Leitklangfarben im Ring des Nibelungen. Hier symbolisieren etwa die Hörner die Natur und den Glauben an diese, die Tuben den Lichtalberich Wotan, die Posaunen Tod oder Todesahnung, die Trompete die dynamische Tat, die Harfe gleißende Verführung. Darüber hinaus kennzeichnen die Violinen menschliche Wärme und Emotionen, die Bratschen die Nibelungen, die Violoncelli menschliches Leid, die Flöten Licht und Höhe, die Oboen Naivität, die Klarinetten Weiblichkeit, die Fagotte Tiefe und Urschlamm sowie die Pauken Geheimnis und Dramatik.
So gewinnt man in gewisser Weise von Wagners Werk ein neues Bild. Das Notenwunder der komplizierten Leitmotivtechnik wird immer wieder präzise analysiert. Dies gilt vor allem für die dämonische Größe der zweiten Verwandlungsmusik „Die Fahrt nach Nibelheim“ mit ihrer ungeheuren dynamischen Steigerung. Der gegenläufigen Bewegung der chromatischen Motive geht Humburg dabei genau nach. Die Präsenz von Rheingold- und Schmiedemotiv wird hier mit dem Wechsel des Liebesbetrug-Motivs verknüpft.
Die Verführung der Macht steht für Will Humburg im Zentrum seiner rund 177 Seiten starken Arbeit. Hier hat er, wie erwähnt, in besonderer Weise Alberich im Auge. Die Auseinandersetzung zwischen Wotan, Loge und Alberich erfolgt im Rahmen eines „erregten Scherzos“. Alberichs Fluch-Motiv wird als Umkehrung der ersten Hälfte des Ring-Motivs präzise analysiert. So gewinnt man vom Rheingold eine durchaus neue Sichtweise.
Alexander Walther