Helen Geyer/Kiril Georgiev/ Stefan Alschner

Wagner – Weimar – Eisenach

Richard Wagner im Spannungsfeld von Kultur und Politik

Rubrik: Buch
Verlag/Label: Transcript
erschienen in: das Orchester 07-08/2020 , Seite 63

Der vorliegende Sammelband vereinigt Referate und Vorträge, die 2018 im Rahmen einer internationalen Tagung in Weimar zu einzelnen Aspekten des Generalthemas gehalten worden sind. Konkret geht es dabei um zwei Themenfelder, die im Buch sehr klar zwei verschiedene Abteilungen ausmachen. Ausgangspunkt des Ganzen war ein in den Jahren 2016 bis 2019 von der Volkswagen-Stiftung getragenes und an der Hochschule für Musik in Weimar angesiedeltes Forschungsprojekt zum Thema „Wissenschaftlich kommentierte Quellenanalyse und Diskussion ausgewählter Aspekte der Richard-Wagner-Sammlung Nikolaus J. Oesterleins in Eisenach“ unter der Leitung von Helen Geyer. Mehrere Aufsätze im Buch behandeln einzelne Aspekte dieser Sammlung, die nicht nur in Fachkreisen durchaus bekannt ist und die, wie es im Vorwort heißt, im Rahmen dieses Projekts nach modernen und international gültigen Standards in wesentlichen Teilen neu erschlossen und wissenschaftlich ausgewertet werden soll. In einem zweiten Schritt sollte die Arbeit dieses Projekts im Kontext der aktuellen Wagner-Forschung zur Diskussion gestellt und mit weiteren Themenfeldern verknüpft werden. Es sind so im Wesentlichen zwei unterschiedliche rezeptionsgeschichtliche Bereiche die hier thematisiert werden: zumeinen die Sammlung selbst, zum anderen vor allem Wagners Beziehungen zu Weimar. Der knappe Raum für die Besprechung erlaubt es nicht, alle Texte einzeln zu würdigen, daher an dieser Stelle nur ein paar eher allgemeine Bemerkungen: Es wäre hilfreich gewesen, Charakter, Inhalt und Bestand der Sammlung Oesterlein zumindest in einem grundlegenden längeren Artikel klarzulegen. Wie anders soll sich der Interessierte sonst ein Bild von der Sache machen? Auch über die Person des Sammlers hätte man gern mehr erfahren. Wenn dieser selbst sagt: „Was ich nur habe auffinden können, abe ich auch mit Fleiß gesammelt“, so lässt dies jedenfalls nicht nur positiv aufhorchen. In mehreren Texten des Bandes geht es stattdessen vor allem um Provenienzfragen. Wagners Beziehungen zu Weimar sind bekanntlich untrennbar mit Franz Liszt verbunden; demzufolge widmen sich mehrere der übrigen Aufsätze verschiedenen Aspekten dieser Künstlerbeziehung, aber auch, damit nur lose verbunden, frühen Überlegungen, die Nibelungen-Tetralogie in Weimar zur Aufführung zu bringen oder dem Weimarer Hoftheater und seinen Wagner-Sängern. Man liest die einzelnen Texte durchaus mit Gewinn, würde mit dem einen oder anderen Autor gern in die Diskussion eintreten (etwa zu Fragen der Tristan-Analyse) – und kann mit der oben genannten grundsätzlichen Einschränkung am Ende doch ganz gut leben, da die Ergebnisse des Projekts der interessierten Öffentlichkeit sicher in nicht allzu ferner Zukunft vorgelegt werden. Der Verlag hat alle Texte des Bandes online gestellt – das ist vorbildlich!

Ulrich Bartels