Bedrich Smetana
Vyšehrad
Urtext, hg. von Hugh Macdonald, Partitur
Die Bärenreiter-Einzelausgaben aus Bedřich Smetanas sechsteiligem Orchesterzyklus Mein Vaterland überliefern den definitiven Notentext dieser bedeutenden Tondichtungen. Betreut wurde auch diese Neuausgabe des Eröffnungsstücks „Vyšehrad“ vom britischen Musikwissenschaftler Hugh Mac -donald. Editorisch gibt es keine großen Änderungen im Vergleich zur 2013 von Bärenreiter wiederaufgelegten Urtext-Gesamtedition des Zyklus Mein Vaterland (beruhend auf der Studienausgabe der Smetana-Edition von František Bartoš von 1966). Lediglich einige Details fallen beim Vergleich der beiden Partituren auf, etwa die Dynamikbezeichnungen betreffend. Zum Beispiel fallen die im „Più mosso“-Abschnitt („a 2 battute“, T. 192) in der alten Ausgabe in eckige Klammern ergänzten Sforzato-Angaben in Violinen und Pauken nun weg; nur die Holzbläser markieren den Akzent auf der zweiten Zählzeit des ersten Takts. Ob sich solch ein Detail innerhalb dieser Forte-Fortissimo-Passage bei einer Aufführung bemerkbar macht, ist in diesem Fall zweitrangig. Die zusätzlichen Sforzatos der älteren Ausgabe beruhten vermutlich auf Erfahrungen von Dirigenten. Für eine wissenschaftliche Edition ist das aber nicht relevant. Hier geht es um die genaue Überlieferung des Notentextes im Sinne der Niederschrift des Komponisten. In diesem Fall zog Macdonald als Hauptquelle die autografe Partitur heran, beendet am 18. November 1874. Außerdem berücksichtigte er Smetanas Manuskript des vierhändigen Klavierauszugs (vom 18. Juli 1875). Er verglich den Notentext zudem mit den ersten Druckausgaben von Partitur und Klavierauszug.
Besonders der 1880 bei Urbánek in Prag herausgegebene Partitur-Erstdruck von „Vyšehrad“ enthält „eine große Zahl an Druckund Lesefehlern“, erkärt Macdonald in einer Editionsnotiz. Auch fehlen dort viele Ausdrucksbezeichnungen und Dynamikangaben. Die meisten davon wurden bereits in der 2013 wiederaufgelegten Bartoš-Ausgabe ergänzt. Dort findet sich auch der Hinweis, dass die berühmte Eröffnung mit zwei Harfen notfalls auch von einer gespielt werden kann. Absolut lesenswert ist das Vorwort der Musikwissenschaftlerin und Smetana-Spezialistin Olga Mojžíšová. In den achteinhalb Spalten ihres Textes wird man über alle Details zur Entstehungsgeschichte dieser Tondichtung informiert, die mit dem „Vyšehrad“-Thema eine Art Leitmotiv des gesamten Zyklus Mein Vaterland einführt. Die Prager Burg Vyšehrad ist ein Nationaldenkmal der tschechischen Geschichte. In einer Programmnotiz schrieb Smetana damals seinem Verleger: „Die Harfen der Barden beginnen: Der Bardengesang über die Ereignisse auf dem Vyšehrad, über den Ruhm, den Glanz, Turniere, Kämpfe, bis schließlich zum Verfall und den Ruinen. Das Stück endet mit elegischen Klängen.(Nachgesang der Barden).“ Das ist schon eine recht anschauliche Beschreibung des Ablaufs dieser Tondichtung. Nach diesen Vorgaben entstanden auch die bekannten Inhaltsangaben zu allen Tondichtungen von Václav Vladimir Zelený.
Matthias Corvin