Werke von Ned Rorem, Kaija Saariaho, Bohuslav Martinu und George Crumb
Vox balenae
Trios for Flute, cello & piano. Trio Wiek: Christina Fassbender (Flöte), Justus Grimm (Violoncello), Florian Wiek (Klavier)
Musik für Flötentrio ist rar. Der Besetzung mit Flöte, Cello und Klavier hat die Musikgeschichte zwar einige wenige herausragende Werke zugeignet, meist aus Verbundenheit des Komponisten mit einem Flötisten oder einer Flötistin. Demgegenüber erhielt das normale Klaviertrio, in dem die ungleich wandlungsfähigere Geige das Blasinstrument ersetzt, reichlich Repertoire aus allen Epochen. Umso erstaunlicher, ja geradezu bemerkenswert erscheint es, dass das Trio Wiek im vergangenen Jahrzehnt der erstgenannten Besetzung zu einiger Öffentlichkeit verhalf. Alle Mitglieder sind Preisträger beim Deutschen Musikwettbewerb, ihre französisch-romantische Porträt-CD des Flötisten, Komponisten und Dirigenten Philippe Gaubert erhielt zuletzt in der Zeitschrift Diapason die Höchstwertung.
Nun haben die drei seit 2001 als Trio vereinigten Musiker Christina Fassbender (Flöte), Justus Grimm (Violoncello) und Florian Wiek (Klavier) eine CD herausgebracht, in der sie sich der Musik des 20. Jahrhunderts zuwenden. Titelgebend und zentral ist George Crumbs 1971 entstandenes, fast 22 Minuten langes Werk Vox balenae, in dem der amerikanische Komponist sich vom Gesang der Wale zu einem ungemein spannenden, klangfarbenreichen und mit philosophisch-existenziellen Fragestellungen aufgeladenen Opus anregen ließ. Das Trio Wiek interpretiert diese an ungewöhnlichen Spieltechniken überreiche Musik so überlegen wie inspiriert.
Als weiterer Eckpfeiler des kammermusikalischen Rand-Repertoires, diesmal aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, schafft es Bohuslav Martinus Flötentrio von 1944 regelmäßig in die Konzertsäle. Eine vergleichsweise vertraute, mit der Formensprache des Concerto grosso spielende Musik. Das Trio Wiek geht beherzt sowohl an den ungebrochen lebensfrohen Kopfsatz, gestaltet aber auch das nachdenkliche, lamentöse Adagio tiefernst und mit großer Lust am geschlossenen und binnendifferenzierten Zusammenklang. Das finale Scherzo birgt dann noch manche Überraschung. Eine kammermusikalische Preziose.
Die Zusammenstellung der CD ermöglicht außerdem die Begegnung mit zwei selten zu hörenden Werken für diese Besetzung. Das Trio des Amerikaners Ned Rorem entstand 1959, ihm sind, bei aller Eigenständigkeit, französische Einflüsse anzuhören. Rorem erhielt später den Pulitzer-Preis. Neueste Musik steuert die in Finnland geborene und in Paris lebende Kaija Saariaho bei. Ihr unter die Haut gehendes Stück Cendres (Asche) von 1998 erschafft betörende Musik im Zusammenspiel der beiden anderen Instrumente mit dem unmittelbar aus dem Atem schöpfenden Klangspektrum der Flöte. Das Trio Wiek besticht durch die hohe technische und musikalische Kompetenz jedes seiner Mitglieder, die gemeinsam als Ensemble neue Welten für sich und ihre Hörer erschließen.
Armin Kaumanns