Wagner, Richard
Vorspiel zu Tristan und Isolde
bearb. für Streichsextett von Sebastian Gürtler mit Pariser Konzertschluss und Opernschluss, mti einem Geleitwort von Gidon Kremer, Partitur/Stimmen
 	Zwar dürfte der kommerzielle Erfolg der vorliegenden Bearbeitung begrenzt sein, doch spielt dieser Aspekt für den Bearbeiter Sebastian Gürtler eine Rolle, sonst würde er sie nicht in drei Fassungen, auch für Streichorchester und für 23 Solostreicher (angelehnt an die Besetzung von Richard Strauss Metamorphosen) vorlegen. In seinem Vorwort begründet er seine Bearbeitung als Versuch der Anverwandlung, motiviert aus purer Lust an der Musik. Zugleich greift er andere Bearbeiter an, die sich an Originalwerken vergingen allein aus marktwirtschaftlichen und karrieregeleiteten Gründen.
 	Grob lassen sich bei Bearbeitungen Transkriptionen, die der Werktreue verpflichtet sind, von Arrangements unterscheiden, bei denen zum Teil in die Faktur eingegriffen wird. Hier liegt eine Mischform vor, denn Gürtler schreibt einige glissandoartige Läufe hinzu oder auch Arpeggien zur Klangauffüllung, zudem ergänzt er die Takte 46 ff. mit dem Leitmotiv der Liebesverklärung. Obwohl diese Eingriffe nicht gravierend sind, schrecken sie Puristen auf.
 	Gürtler ist Violinist (Ensemble Amarcord Wien, Hugo-Wolf-Quartett), er setzt streicherspezifisch, hält sich dabei überwiegend an originale Stimmführungen. Der Wegfall differenzierterer Klangfarben, insbesondere durch Wagners Holzbläserbehandlung, versucht er durch Aufsplitten der Lagen der Streichinstrumente klanglich reizvoll zu kompensieren. Dadurch ist die Ausführung der Stimmen schwer und diese Bearbeitung nur von professionellen Musikern zu bewältigen. Durch die Reduktion entsteht durchaus  Kammermusikalisches, da die Konzentration auf die Linienführung abhebt (klangliche Assoziationen an Verklärte Nacht scheinen auf). Klangrausch lässt sich so jedoch bei der Steigerungspassage zum Höhepunkt Takt 83, bei dem leider Wagners dichotomische Schreibweise mit Kreuzen und Bes nicht übernommen wurde, kaum erzeugen. Um hier das Liebeszaubermotiv durchscheinen zu lassen, verzichtet der Bearbeiter auf die Bindebögen, die das Ohr erwartet. Die Streichorchesterfassung,
 	die auch Gidon Kremer, der ein lobendes Grußwort beisteuerte, mit seiner Kremerata Baltica aufführt, nähert sich dem Original eher an.
 	Den von Wagner für eine Pariser Konzertaufführung, die Berlioz irritierte, hinzukomponierten Schluss als erste Alternative anzubieten, ist sinnvoll, da das eigentliche Tristan-Vorspiel in einer ausgedünnten Überleitung verstummt, ohne Abschluss.
 	Der Druck ist gut lesbar, die dynamischen Bezeichnungen sind sehr differenziert. Für gut trainierte Streichsextette ist diese Fassung eine herausfordernde und lohnende Aufgabe.
 	Christian Kuntze-Krakau


            
            
            