Köster, Ralf-Jörn

Von der Holzstange zum Oboenrohr

in über 100 Farbbildern und Zeichnungen einfach und verständlich Schritt für Schritt erklärt

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Selbstverlag: www.oboenrohr.com
erschienen in: das Orchester 04/2017 , Seite 56

„Bilder sagen mehr als tausend Worte“, das mag sich der Oboist und Hochschullehrer Ralf-Jörn Köster wohl gesagt haben, als er sein Oboenrohr-Baubuch konzipierte. Auf real etwa 40 Seiten beschreibt er in zahlreichen Kapiteln mit mehr als einhundert mehrfarbigen Bildern und schematischen Zeichnungen minutiös alle Schritte auf, die nötig sind, um ein gutes Rohr zu schnitzen: die schreckliche Not eines jeden Oboisten. Denn: Der Spieler ist nur so gut wie sein Rohr. Dem Nicht-Oboisten dürfte beim Durchblättern schnell klar werden: Das ist eine Wissenschaft nur für Eingeweihte. Klar wird aber auch, dass der Oboist neben der künstlerischen Qualifikation ebenso handwerkliches Geschick mitbringen sollte.
Köster beginnt in seiner Anleitung mit der Erkenntnis, dass mindestens eine Badewanne voll Holz bearbeitet werden sollte, um ein Meister zu werden. Und so weist der Autor auf die richtige Holzauswahl hin, die Prüfung auf Fehler und etwaigen Holzfraß. Weiter bespricht er die Lagerung und die fachgerechte Verarbeitung der Roh-Rohre bis zur Hülse. Da bis dahin zum Teil sehr teure Maschinen wie Hobelmaschine, Fasonschneider, Messuhr oder Dichtegradmesser benötigt werden, welche den Etat eines jeden Studierenden sprengen würde, können nach eigener Erfahrung selbstverständlich auch die Rohbaumaterialien wie Hülsen und fertige Fasons mit den richtigen Maßen gekauft werden.
Doch zunächst sind bestimmte Werkzeuge zu besorgen, die aber im Rahmen des pekuniär Zumutbaren bleiben: Flachzange, Dorn oder Schieblehre, Messer; dann Materialien wie Draht, festes Garn oder Fischhaut, ohne die kein Rohrbau funktioniert. Da indes so etwas oft mit vielen Irrtümern einhergeht, gibt Köster zunächst Tipps zum Üben, bevor es „ernst“ wird.
Dann nämlich beginnt die eigentliche Arbeit: das Aufbinden bzw. Aufbrennen der Fasons auf die Hülse, das Aufschneiden des Rohrs und schließlich das mühsame wie zeitraubende Schaben. Köster beschreibt dies minutiös, notiert die genauen Maße und belegt dies wiederum anschaulich mit zahlreichen Bildern. Dabei sollte die Betreuung des Rohrs liebevoll geschehen wie beispielsweise das „Massieren“, was das Holz weicher macht. Ferner sollten, so empfiehlt der Autor, die Rohre kurz vor Vollmond aufgebunden werden; so bekämen sie mehr Kraft und hielten länger. Nach über vier Wochen Ruhe dürfen sie bei abnehmendem Mond aufgeschnitten, geschabt und fertiggestellt werden.
Die eigentliche Feinarbeit, das Schaben des Rohrs, bedarf ständiger Kontrolle: wie viel darf noch ab? „Lichtbetrachtung“, Korrekturpunkte beachten, Prüfen auf Regelmäßigkeit usf., bis es mit dem Odem des Erzeugers schließlich krähend das Licht der akustischen Welt erblickt – aber selbst dann noch stets der behutsamen Pflege bedarf.
Das Buch ist eine hervorragende Anleitung, doch nur die fortwährende Praxis macht das hörbar gute Rohr und somit einen guten Oboisten.
Werner Bodendorff