Dirigentenforum (Hg.)
Vom Dirigieren
Annäherungen an einen Mythos, unter Mitarbeit von Susanne Van Volxem und Sabine Bayerl
Wenn eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Bildungsmaßnahme wie das Dirigentenforum sich aus Anlass ihres 25-jährigen Bestehens selbst dokumentiert, könnte man eine in Eigenlob getauchte Rechtfertigung erwarten. Gott sei Dank widersteht Herausgeberin Susanne Van Volxem dieser Versuchung. Die fabelhaft gemachte Dokumentation Vom Dirigieren ist vielmehr eine faszinierend zu lesende, durch unterschiedliche Brenngläser und Autoren geschärfte Annäherung an ein nach wie vor schwer zu fassendes, weil ebenso schillerndes wie von Mythen umranktes Berufsbild.
Jürgen Otten etwa verfasst zu Beginn einen exzellenten, auch sprachlich hochkarätigen Abriss über die Geschichte von prägenden Dirigentenpersönlichkeiten. Michael Ernst versteht es, durch die konzise Schilderung einiger Lebensläufe etwa die von Herbert Blomstedt, Michael Sanderling und Vladimir Jurowski aufzuzeigen, wie unterschiedlich, schicksalsbestimmt und extrem die Wege sein können, ehe man ganz oben steht. Hervorragend ebenso ein Beitrag von Michael Schwalb, der die spezifische Beziehung zwischen Orchester und Dirigent ausleuchtet und dabei ein Vorbild wie Claudio Abbado im positiven Fokus hat, einen Dirigententypus also, der sich durch seine unautoritäre, zugewandt-vertrauenswürdige Haltung der Hingabe eines jeden Musikers versichern und so Konzertsäle in Pilgerstätten verwandeln konnte.
Teresa Pieschacon-Raphael schildert dagegen anlassbezogen etwas nüchterner die aktuelle Situation von Frauen am Pult; würdigt den Werdegang etlicher Dirigentinnen und verzichtet trotz des mageren Drei-Prozent-Anteils an Pultchefinnen auf den ideologischen Ruf nach Quoten. Olaf Roth lässt uns mit ganz aus der Praxis stammenden, teils schmunzelnd zu lesenden Erfahrungen am Verhältnis Sänger/ Dirigent teilhaben; Sabine Bayerl schildert eindrücklich die Dirigierausbildungen in Weimar und Zürich; und Susanne Van Volxem gewährt uns einen Blick in die immer wichtiger werdende Stellung von Managern und Machern hinter den Kulissen. Susanne Bayerl rundet das Buch schließlich mit einem Grundsatzbeitrag zur Geschichte, zum Prozedere, zu den Zielen und den Erfolgen des Dirigentenforums ab.
Im Anhang lesen sich die an der praktischen Ausbildung beteiligten Orchester, Chöre, Kursleiter und Juroren wie das Who s who der Musikszene. Kein Wunder also, dass etliche Kursteilnehmer zu Preisträgern wurden und ihren Weg gegangen sind.
Meine eindringliche Empfehlung: Das Buch sollte man auf jeden Fall zur Pflichtlektüre für jeden machen, der sich mit dem Gedanken trägt, den Berufsweg des Dirigenten einzuschlagen. Denn nichts kann wertvoller sein als die Erfahrungen, die andere zuvor auf genau diesem Weg gesammelt haben und die in dieser wunderbaren Dokumentation höchst lesenswert zusammengetragen wurden.
Thomas Krämer