Witold Lutosławski

Vocal and Orchestral Works

BBC Symphony Orchestra, Ltg. Edward Gardner

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Chandos CHSA 5223 (5), 5 CDs
erschienen in: das Orchester 09/2018 , Seite 79

Die Rezeption manches Œuvres des 20. Jahrhunderts braucht gewisse Impulse, bis dessen Qualität international auch diskografisch anerkannt wird. So sind die Vokal- und Orchesterwerke von Witold Lutosławski (1913-1994), des herausragenden Repräsentanten der klassischen Moderne aus Polen, mit dem BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Edward Gardner, wenn ich mich nicht irre, die einzige Komplettaufnahme als zusammenhängendes Projekt. Es umfasst die Symphonien, die sich von neoklassischen Konzentraten (Nr. 1), die durch ein polyfones Labyrinth gejagt werden, über statische Clusterzellen zu zögernder Erwartungshaltung (Nr. 2), knalligen Bläserriffs in Kontrast zu feinsten Klangfasern und intensiven Melismen (Nr. 3) bis zur lyrischen Kantilene, die per Metamorphose eine kathartische Coda wird (Nr. 4), entwickeln. Tragik und Hoffnung in diesen komplexen Wandlungen bekommen auf diese Weise differenzierte Profile, wobei Edward Gardner auf filigrane Stimmführung und subtile Dynamik achtet.
Gleiches gilt für die anderen Kompositionen: Die herben Konfrontationen von Maestoso-Marsch und Bläser-Grazioso im Konzert für Orchester werden durchs Pianissimo flinker Streicher aufgefangen; zahme Harmonik der Symphonischen Variationen bricht zum Duktus spektakulärer Cartoonmusik aus; interagierende Motivzellen lassen die Chain 3 in Klangnetzen vibrieren; das Klavierkonzert sucht sich den solistisch-perkussiven Weg durch Schwarmbewegungen der Streicher und die Partita integriert jazzigen Violinpart und dramatischen Duktus. Solche die eigene Idiomatik erforschenden Konzepte werden von folkloristisch beeinflussten Formaten ergänzt.
Die Kleine Suite verarbeitet national bekannte Melodien und Tänze in unkonventionellen Arrangements, die Tanz-Préludes sind eher mild und sanft von einer Solo-Klarinette plus Perkussion, Harfe, Klavier und Streicher bewegte Miniaturen, während das Schlesische Tryptichon hellen Soprangesang (superb: Lucy Crowe) und charakteristische Orchester-Timbres verbindet. Als kleiner Clou ist zu erwähnen, dass hier die populären Paganini-Variationen in einer nicht so oft zu hörenden Version dabei sind, nämlich mit solistischem Klavierpart und schrägem Humor in den Orchesterstimmen, die doch andere pikante Akzente haben.
Bemerkenswert und hervorzuheben ist an dieser exzellenten Edition, dass nicht nur die Orchestermusiker sich offenbar intensiv mit der je eigenen Gestik der Werke aus verschiedenen Schaffensperioden beschäftigt haben, sondern auch die Solisten wie der Klarinettist Michael Collins, die Violinistin Tasmin Little, der Cellist Paul Watkins und der Pianist Louis Lortie, sodass mit der klaren Koordination von Edward Gardner ein insgesamt schlüssiges Klangprofil entstand. Das Verständnis fördernde Begleittexte bestätigen nur diese gelungene Würdigung von Witold Lutosławski.
Hans-Dieter Grünefeld

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