Antonín Dvořák

Violoncellokonzert h-Moll op. 104

Urtext, hg. von Annette Oppermann, Klavierauszug

Rubrik:
Verlag/Label: Henle
erschienen in: das Orchester 03/2023 , Seite 64

„Antonín Dvořáks Cellokonzert op. 104 mag für Cellisten schon eine besondere Herausforderung sein, für Herausgeber einer Urtext-Ausgabe ist es dank seiner vielen Textvarianten ein wahrer Alptraum“ – so äußerte sich Annette Oppermann im Henle-Blog und verweist damit auf die wechselhafte Entstehungsgeschichte der Komposition. Ursprünglich im Winter 1894/95 zum Ende von Dvořáks Amerikaaufenthalt geschrieben, erfuhr das Konzert in den folgenden Monaten mehrere Überarbeitungen. Maßgeblichen Einfluss erhielt dabei Hanuš Wihan, der Dvořák als Widmungsträger des Werks und professioneller Cellist beriet, mit ihm diskutierte und sogar selbst Änderungen in der Partitur vornahm. „Die Vielzahl der kleinen und größeren Revisionen führte dann bei der Drucklegung zu einiger Verwirrung, so dass die 1896 bei Simrock in Partitur, Klavierauszug und Einzelstimmen erschienene Erstausgabe zahlreiche Widersprüche aufweist. Für die Henle-Urtextausgabe wurden diese unter Rückgriff auf die autografen Quellen und eine frühe Abschrift der Solostimme genau untersucht“ (www.henle.de). In akribischer Detailarbeit entstand die hier vorliegende Edition, welche einen guten Überblick über die bestehenden Varianten bietet und gleichzeitig als fundierte Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Werk dient.
Besonders zu erwähnen ist die Einrichtung der Cellostimme von Steven Isserlis, die abgesehen von typischen Strich- und Fingersatzbezeichnungen auch seine individuelle Spielpraxis und Interpretation des Cellokonzerts aufgreift – so finden sich z. B. bei den Eingangsakkorden Hinweise, welche abweichenden Töne Isserlis aus früheren Lesarten bevorzugt. Sämtliche Hilfestellungen und Bezeichnungen sind ausdrücklich als Vorschläge und Inspiration zu verstehen; eine zusätzliche Blanko-Cellostimme ermöglicht die eigenständige Erarbeitung.
Aus der Einleitung spricht Isserlis’ Begeisterung für das Werk, welches er als „zauberhafte Mischung aus Heroik und Lyrik, Spannung und Intimität“ charakterisiert. Zudem weist er auf die wechselnden Funktionen des Violoncellos hin, indem er betont, „dass das Stück nicht nur ein Cellokonzert, sondern auch ein symphonisches Werk ist – fast wie Kammermusik in großem Rahmen“. Mit dieser Faszination ist er nicht allein: Dvořáks Werk zählt zu Recht zu den beliebtesten Cellokonzerten. Leidenschaftliche Melodien, dramatische Steigerungen, sehnsuchtsvolle Klangintensität und virtuose Brillanz berühren Hörer:innen und Musiker:innen gleichermaßen. Auch wenn reichlich technische Schwierigkeiten die Cellist:innen ins Schwitzen bringen und die ausdrucksstarke Interpretation großen körperlichen Einsatz verlangt – die Mühe ist es wert!

Anna Catharina Nimczik