Mozart, Wolfgang Amadeus
Violinkonzerte 1-5 / Adagio KV 261 / Rondos KV 269 & 373
Lena Neudauer (Violine), Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Ltg. Bruno Weil
Wie viele Einspielungen von Mozarts Geigenkonzerten mag es wohl geben? Ich habe sie nie gezählt. Auch wenn diese Konzerte das notwendige Bekenntnis eines jeden Geigers sind: Es gehört doch viel Mut dazu, Mozart immer wieder etwas Neues abzugewinnen und den endlosen CD-Regalen ein weiteres Exemplar hinzuzufügen. Lena Neudauer hatte diesen Mut.
Diverse Preise, Auftritte mit renommierten Orchestern und Dirigenten, Professur mit Mitte 20 beeindruckender Lebenslauf eines gerade einmal 30-jährigen Menschen, aber doch kein Einzelfall. Makellose Intonation sollte eine Selbstverständlichkeit im Profibereich sein. Auch der Ansatz, auf einem modernen Instrument historische Aufführungstechniken umzusetzen, ist nicht gerade neu.
Das Neue: Neudauer kann alles spielen, aber nie betont virtuos. Sie spielt alles kurz, mit knackigem Wurfbogen, spritzig, perlend, lebhaft, jugendlich, charmant; knappe Einwürfe, die (im G-Dur-Adagio) höchst grazile Kantilenen oder auch sonore, bratschenhaft anmutende (im Mittelsatz des vierten Konzerts) in wunderbarem Kontrast erscheinen lassen. Flott und hell kommt die Einleitung zum dritten Konzert daher, nachdenklich, gefolgt von einer regelrechten Attacke die des fünften. Selbst dem Rondo KV 269, dem aufgrund seiner zahlreichen Wiederholungen am wenigsten dankbaren Werk dieser Sammlung, kann Neudauer noch Elan und Variabilität abgewinnen. Mozarts zweite Sätze sind nun immer schön, aber hier gefallen besonders der s(ch)wingende Orchester-Unterbau, das Anvibrieren einzelner Töne, die betörenden Moll-Trübungen.
Über diese sehr kecken, überall hervorsprudelnden Vorschläge könnte man streiten, ebenso über die beabsichtigte Eile, die sich in den Achtelsequenzen findet geschenkt. Wenngleich Mozarts Violinkonzerte innerhalb weniger Jahre entstanden sind, weisen sie doch eine beeindruckende Entwicklung hinsichtlich des emotionalen Tiefgangs und der Melodieentwicklung auf. Dass diese Veränderungen kaum Berücksichtigung finden, ist vielleicht der einzige haltbare Vorwurf, den man der Einspielung machen könnte. Dennoch: Sie hat auf jeden Fall ihre persönliche Prägung. Äußerst überzeugend sind die von der Solistin selbst geschriebenen, organischen Kadenzen. In Neudauers ungekünstelter Selbstverständlichkeit findet man Mozart gerne wieder eine der interessantesten Deutungen in den vergangenen Jahren.
Das Orchester spielt geschmeidig, die Streicher sehr lebendig. Gelungen sind solistisch anmutende Dialoge mit der Geige. Die Qualitäten lassen sich nicht nur in den Einleitungen erkennen, sondern besonders in den selbstbewussten Begleitpassagen, die hier keineswegs zur langweiligen Nebensächlichkeit verkommen. Die Exaktheit des Spiels bedarf eigentlich bei einem Funkorchester keiner besonderen Erwähnung. Nur soviel: Es erfüllt gänzlich die diesbezüglichen Erwartungen.
Lena Neudauer hatte den Mut zu Mozart und sie hat diese Mutprobe bestanden. Man darf gespannt sein, ob sie auch den Mut für Beethoven und Brahms besitzt.
Carola Kessler