Isang Yun

Violinkonzert Nr. 1/Duetto concertante

Hansheinz Schneeberger (Violine), Ingo Goritzki (Oboe), Johannes Goritzki (Violoncello), Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester, Ltg. Spiros Agiris; Deutsche Kammerakademie Neuss, Ltg. Johannes Goritzki

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Ambiente
erschienen in: das Orchester 06/2018 , Seite 70

Unter den Komponisten, die eine Verbindung zwischen fernöstlicher Musiktradition und westlicher Avantgarde hergestellt haben, war er der Pionier: der 1917 geborene, später in Deutschland ansässig gewordene Koreaner Isang Yun. Seine mehr als hundert in Europa komponierten Werke, die Elemente der tausend Jahre alten chinesisch-koreanischen Hofmusik mit Westlichem verschmelzen, wollte Yun als Musik im Geist des Taoismus verstanden wissen, als strömenden Klang, bei dem Vorangegangenes und Folgendes in einer Kunst des unmerklichen Übergangs verbunden sind.
Nach einer experimentellen Frühphase in Isang Yuns Schaffen, vertreten etwa durch das 1966 in Donaueschingen uraufgeführte Orchesterstück “Réak”, folgte eine stärkere Annäherung an europäische Traditionen. Repräsentativ hierfür sind Yuns seit den späten 1970er Jahren entstandene konzertante Werke. Zwei von ihnen sind auf der vorliegenden CD wiedergegeben; ihnen liegen Aufnahmen zugrunde, die Mitte der 1980er Jahre im Sendesaal des WDR Köln bzw. des Deutschlandfunks Köln entstanden und für diese CD-Veröffentlichung technisch überarbeitet wurden.
Einen Rückgriff auf das klassisch-romantische Erbe Europas bedeutete vor allem das dreisätzige Violinkonzert Isang Yuns von 1981, mit dem sich der koreanische Komponist in die Tradition der großen Violinkonzerte des 19. Jahrhunderts stellt, ohne aber seine fernöstlichen Klangvorstellungen ganz aufzugeben. Die Violine eröffnet das Konzert mit elementaren, in Terzen verschränkten Quintmotiven, wird jedoch nicht eigentlich konzer­tant geführt. Der vom Schweizer Geiger Hansheinz Schneeberger gestaltete Solopart ist eher in ein kammermusikalisches Gespinst von Orchesterstimmen eingebunden, in dem weniger Themen und Motive im Mittelpunkt stehen, sondern der einzelne Klang in seinem Werden und Vergehen. Als Nachtstück in dunklen Farben erweist sich der ausdrücklich mit „Adagio“ bezeichnete Mittelsatz, dem ein perpetuum-mobile-artiges Finale folgt, ein Satz, der am ehesten herkömmlichem Virtuosentum Tribut zollt, freilich einmal überraschend von einer nachdenklichen Solokadenz unterbrochen wird.
Im Vergleich zum mit 40 Minuten Spieldauer ausladenden Violinkonzert Nr. 1 ist das einteilige Duetto concertante für Oboe (bzw. Englischhorn), Violoncello und Streicher von bescheidenerem äußerem Anspruch, doch von nicht geringerem innerem Reichtum. Dies zeigt die vorliegende Aufnahme mit den beiden Widmungsträgern des Werks, dem Oboisten Ingo Goritzki und seinem Cello spielenden Bruder Johannes Goritzki, der zugleich die von ihm gegründete Kammerakademie Neuss leitet. Ein fröhlicher, entspannter Grundges-tus prägt dieses Musikstück voller vielfältiger schillernder und gleitender Klänge.
Gerhard Dietel